Die Landwehr-Ordnung. 227
21. Novbr. 1815 sagte noch bescheidener: „an den mäßigen Umfang des
stehenden Heeres schließt sich künftig die Landwehr.“ Die Friedensstärke
des Heeres ward demnach vorläufig auf kaum ein Prozent der Bevölkerung
festgestellt; sie betrug, mit Einschluß des Armeekorps in Frankreich, 115,000
Mann, nicht mehr als im Jahre 1806. Allerdings erhielt die eingestellte
Mannschaft jetzt in dreijährigem ununterbrochenem Dienste eine weit sorg-
fältigere Schulung als einst in den letzten Zeiten der alten Heeresver-
fassung, wo die Beurlaubungen so sehr überhand nahmen, daß die Mehr-
zahl der Soldaten trotz der zwanzigjährigen Dienstpflicht nur etwa 22 Monate
unter den Fahnen blieb. Auch die Vereinigung des Heeres in den Festungen
und größeren Städten kam der Ausbildung der Truppen zu statten und
blieb aufrecht, obwohl die verlassenen kleinen Garnisonen den Thron mit
Bitten bestürmten. Aber für die militärische Erziehung der gesamten
wehrfähigen Jugend reichte diese schwache Friedensarmee mit ihren 38
(später 44) Infanterie-Regimentern nicht entfernt aus. Sie konnte ihrer
Aufgabe um so weniger genügen, da die Bevölkerung sehr schnell zunahm,
wie dies bei kräftigen Nationen nach dem Abschluß verheerender Kriege
regelmäßig geschieht. UÜberdies bestand noch ein volles Drittel des stehenden
Heeres aus Kapitulanten, die freiwillig über drei Jahre hinaus dienten;
die alten Gewohnheiten des Berufssoldatentums wirkten noch nach, und
in der erwerblosen Zeit erschien der Militärdienst vielen als eine leidliche
Versorgung. Ein sehr großer Teil der Wehrfähigen mußte also zurück-
gestellt werden, wobei denn anfangs manche erbitternde Willkür mit unter-
lief: hier wurden die Überzähligen durch eine gutmütige Ersatzkommission
ganz von der Dienstpflicht entbunden, dort wählte ein Offizier, dem die
altpreußische Vorliebe für die langen Kerle noch in den Gliedern lag, die
Mannschaften nach der Größe aus. Endlich führte man das Losen ein
und ließ die Freigelosten als Landwehrrekruten drei Monate lang durch
abkommandierte Offiziere der Linie notdürftig einüben, um sie dann der
Landwehr zuzuweisen.
Die Landwehr bestand mithin zum Teil aus alten Soldaten, zum
Teil aus wenig geübten Krümpern, und ihr Offizierskorps, das noch ganz
selbständig neben der Linie stand, verschlechterte sich von Jahr zu Jahr:
die Kriegskundigen schieden allmählich aus, die jungen Freiwilligen aber,
welche nunmehr nach einjährigem Dienste und einigen kurzen Ubungen
in die Offiziersstellen einrückten, zeigten sich zuweilen noch unerfahrener
als die Mannschaft selbst. Das einzige verbindende Glied zwischen der Linie
und der Landwehr bildeten die den kommandierenden Generalen der Linie
untergeordneten Landwehrinspekteure, je einer in jedem Regierungsbezirk.
Der König tat das Seine um das militärische Selbstgefühl der Land-
wehr zu heben; er verlieh ihr Fahnen, bildete eine Gardelandwehr, er-
nannte die königlichen Prinzen zu Chefs der Gardelandwehr-Schwadronen.
Die Generale gewöhnten sich die Landwehr nach den Ubungen mit reichen
15“