248 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates.
Nicht lange, und den frechen Worten folgte die verräterische Tat.
Im Jahre 1818 entwarf General Dombrowsky den Plan zu einer ge-
heimen polnischen Verbrüderung, die ein Jahr darauf unter dem Namen
der nationalen Freimaurerei ins Leben trat. Die Behörden sahen dem
gesetzwidrigen Treiben gelassen zu und schritten erst ein, als die Ver-
schworenen, aus dem Dunkel ihrer Logen heraustretend, unter den Bauern
Freischaren zu bilden versuchten, welche den unzweideutigen Namen Sen-
senmänner (Kosiniery) erhielten.
Die Absicht der Vernichtung des Deutschtums, die sich in jenen
Denkschriften des polnischen Adels unverhohlen bekundete, fand bei dem
Statthalter allerdings kein Gehör, aber auch für die Forderung deutscher
Kultur tat die Verwaltung unmittelbar nichts. Mit peinlicher Gewissen-
haftigkeit erfüllte die Regierung ihre den Polen gegebenen Verheißungen.
Die alten Erinnerungen und Hoheitszeichen des Landes blieben, nach der
großmütigen preußischen Art, unberührt; noch heute prangt am Ringe
zu Posen das große polnische Wappen mit dem Herzschilde der Poniatowskys
dicht über dem Schilderhause der preußischen Wache. Die polnischen Offi-
ziere wurden pensioniert oder in das preußische Heer eingereiht; auch von
den Warschauer Beamten nahm man eine große Zahl in den preußischen
Dienst auf, obgleich viele des Schreibens, die meisten des Deutschen un-
kundig waren und fast alle sich unzuverlässig zeigten. Die Kreisverwal-
tung lag in den Händen gewählter Landräte, die zumeist dem polnischen
Adel angehörten; nur die gutsherrliche Polizei wurde, zur großen Freude
der Bauern, vorerst noch nicht wiederhergestellt. Die Geschäftssprache der
Behörden war deutsch, aber alle für das Publikum bestimmten Verhand-
lungen und Bekanntmachungen erfolgten in der Sprache, die den Be-
teiligten verständlich war; so ward auch in den Volksschulen der pol-
nischen Ortschaften nur polnischer Unterricht erteilt.
Gleichwohl schritt das Deutschtum selbst unter dieser bis zur Schwäche
langmütigen Verwaltung unaufhaltsam vor. Sobald die bürgerliche Ord-
nung wiederhergestellt war, öffneten sich von selber die Schleusen dem
Strome der deutschen Einwanderung, der schon im Mittelalter dies ver-
wahrloste Land befruchtet hatte. Die Uberlegenheit deutschen Fleißes und
Kapitals zeigte sich überall, vornehmlich im Landbau. Der Morgen mitt-
leren Bodens wurde zur Zeit der Besitzergreifung für 1½ Tlr. verkauft
— etwa ebenso hoch wie die Urwaldländereien im fernen Westen Nord-
amerikas. Welch eine Wandlung in diesen barbarischen Zuständen, als
die Regierung sich jetzt anschickte die Agrargesetze vom Jahre 1811 einzu-
führen. Umsonst sendete der Adel, auf die „Schreckenskunde von dieser
Güterkonfiskation", eine klagende Adresse an den König, welche in naiven
Worten den wahren Charakter der gerühmten sarmatischen Junkerfreiheit
enthüllte: „in den zügellosen Ausschweifungen des finstern rohen Landvolks“
— hieß es da — „werden sich die Keime eines praktischen Jakobinismus