Pommern. 253
Weit härter als dies schwedische Land war das preußische Pommern
durch den Krieg heimgesucht. Die Ruinen der Häfen von Leba, Stolp—
münde, Rügenwalde, Colberg erinnerten noch an die behaglichen Zeiten
des Baseler Friedens. Stettin, das damals schon mit Hamburg gewett-
eifert, mußte sich jetzt seinen Platz auf dem Weltmarkte von neuem
erobern; aber viele der reichen alten Firmen bestanden nicht mehr, der
Hafen von Swinemünde wurde erst wieder neu gebaut, und zudem lähmte
der Sundzoll den Aufschwung der pommerschen Plätze. Auf dem platten
Lande erregten die junge Kultur und die patriarchalischen Lebensverhält-
nisse das Erstaunen des Oberpräsidenten: hier im Kreise Neu-Stettin
nur 710 Einwohner auf die Geviertmeile, und daheim im Regierungs-
bezirk Düsseldorf ihrer 8537; und gleichwohl „sucht der gute Pommer
noch immer seinen Reichtum im vielen Landbesitz.“ Sack bat den Staats-
kanzler dringend, ihm die Ansiedlung von tüchtigen Neubauern zu ge-
statten, die dem guten Pommern das Beispiel intensiver Wirtschaft geben
und ihm den Segen der neuen wirtschaftlichen Freiheit zum Bewußtsein
bringen sollten.) Aber wo waren die Mittel für eine Kolonisation im
fridericianischen Stile? Die Provinz erholte sich von den Leiden der
Kriegsjahre fast ebenso schwer wie die anderen baltischen Lande, nur daß
die ruhigen Pommern die harte freudlose Zeit gleichmütiger ertrugen als
die leidenschaftlichen Preußen. —
Der Oberpräsident von Schlesien, Merckel, war schon während des
Krieges als Zivilgouverneur seinen Landsleuten teuer geworden. Sie ver-
gaßen ihm nicht, daß er einst in einem verhängnisschweren Augenblicke durch
sein festes Vertrauen auf ihre Opferwilligkeit die Fortsetzung des Rück-
zugs verhindert hatte; denn als die Monarchen zur Zeit des Waffen-
stillstandes über die Räumung des ausgesogenen Landes beratschlagten,
da hatte er sein Wort dafür verpfändet, daß Schlesien die verbündeten
Heere ein ganzes Jahr hindurch unterhalten werde. Und wie glücklich
war nachher durch die kräftige Hilfe des Zivilgouverneurs das Werk
Gneisenaus, die Bildung der schlesischen Landwehr gelungen. Der Sohn
eines angesehenen Breslauer Kaufmannshauses, von Kindesbeinen an
heimisch in allen Schichten der vielgestaltigen schlesischen Gesellschaft, er-
schien Merckel seinem Lande als der natürliche Führer. Seine ruhige,
ernsthafte, streng sachliche Weise die Geschäfte zu behandeln flößte jedem
Zutrauen ein, und wer mit einem dringenden Anliegen kam, konnte noch
in später Nachtstunde den rüstigen kleinen Mann, dem der Schlaf ent-
behrlich schien, an seinem Schreibtisch finden. Er gehörte von jeher zu
den eifrigen Förderern der Hardenbergischen Reformen, war ein Schüler
der Kantischen Philosophie, reich gebildet, fast gelehrt und von dem Segen
*) Sack, kurzer Bericht über die Verwaltung Pommerns, Schlawe, 28. Juli 1818.