Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Beginn der altständischen Bewegung. 285 
gaben wiederholt: „Unsere Verfassung hat wohltätig bestanden, ehe der 
preußische Staat eine Verfassung hatte. Daß der Entwurf dieser noch 
nicht vollendet ist, kann daher kein Hindernis sein die unserige in ihren 
Grenzen zu lassen.“ Nach wiederholten Beschwichtigungsversuchen verbot 
endlich Hardenberg dem unermüdlichen Kläger, den ständischen Titel zu 
führen und stellte später (10. Mai 1820) den allgemeinen Grundsatz auf: 
wo die alten Stände durch die von Preußen im Tilsiter Frieden aner— 
kannte Fremdherrschaft aufgehoben sind, da bleiben sie aufgehoben bis zur 
Einführung der neuen Provinzialstände.“) Der Grundsatz war rechtlich 
unanfechtbar, da die preußische Regierung für die Gewaltstreiche der Fremd— 
herrschaft nicht einzustehen hatte, und eine politische Notwendigkeit, denn 
in dem Augenblicke, da man das Alte neugestalten wollte, konnte der alte 
Zustand doch nicht einfach wieder hergestellt werden. 
Jene Bestrebungen der markanischen Stände bildeten nur ein Glied 
in der Kette einer weitverzweigten Adelsbewegung, welche die gesamten 
westfälisch-niederrheinischen Lande durchzog und zunächst darauf ausging, 
die alte ständische Union von Jülich, Cleve, Berg und Mark wiederher— 
zustellen. Leider schloß sich auch Stein diesem Adel an. Der große Staats- 
mann erkannte zwar, daß die neue Verfassung unmöglich mit den alten 
Ständen vereinbart werden konnte; er wollte freie Hand für den König 
„mit Beratung derer, die er zum Beraten beruft,“ und warnte seine 
Landsleute vor den ausschweifenden Forderungen des kurmärkischen Adels- 
hochmuts. Aber voll leidenschaftlichen Hasses gegen Hardenberg, erbittert 
über den zögernden Gang der Regierung, begünstigte er doch die künst- 
lichen und rechtswidrigen Wiederbelebungsversuche der rheinisch-westfä- 
lischen Stände; er sah darin einen heilsamen Stachel für die Regierung, 
während sie in Wahrheit ein Hemmschuh waren für jede durchgreifende 
Reform. Sein aristokratischer Sinn ward härter und schroffer, da er 
alterte; sein Eigentümerparlament verstand er jetzt als eine Vertretung 
des Grundeigentums allein; nicht der große Grundbesitz, sondern der 
Adel sollte den ersten Stand bilden. Und mit welcher seltsamen Gesell- 
schaft trat der Freiherr jetzt in Verbindung. Da war im Jülichschen jener 
Mirbach, der die Ahnenprobe für die adligen Landstände wünschte. Und 
im Münsterlande Graf Merveldt, der für jedes der alten Territorien 
Westfalens eine besondere Ständeversammlung forderte; aus ihnen sollten 
dann die Abgeordneten zum Provinziallandtage gewählt werden: „Diese 
Monarchie bildet sich aus Ländern und Staaten, welche Verfassungen 
hatten, die, dem Himmel sei Dank, durch keine Revolution aufgelöst sind.“ 
Nun wandten sich auch die Stände des Fürstentums Paderborn an den 
  
*) Vorstellung der Huldigungsdeputierten der Grafschaft Mark an Minister v. d. Reck, 
20. Oktbr. 1815. Eingaben der Stände an den Staatskanzler, 20. März, 2. Juni 1817 
usw. Erwiderungen Hardenbergs, 18. Mai 1817, 10. Mai 1820.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.