Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Wangenheim. 313 
bis ins Mark und wurde von den Parteien der Opposition in Vers und 
Prosa so lange nachgesprochen, bis nach abermals drei Jahren die Un— 
tröstlichkeit wirklich hereinbrach. 
Die Anrufung der drei Garanten hatte, wie jeder Unbefangene vor— 
aussehen konnte, nur die eine Folge den König von neuem zu reizen. 
Keiner der drei Höfe glaubte sich berechtigt, für eine längst aufgehobene 
Verfassung, deren Bestand nur auf dem Boden des alten Reichsrechts 
möglich gewesen war, jetzt noch nachträglich einzutreten. Preußen insbe— 
sondere hielt sich behutsam zurück, obgleich Hardenberg die Versöhnung 
zwischen Fürst und Volk aufrichtig wünschte; denn König Friedrich, der 
sich in der jüngsten Zeit eng an Rußland angeschlossen hatte, bekundete 
seinen alten Groll gegen die norddeutsche Großmacht so gehässig und heraus— 
fordernd, daß der Gesandte Küster mehrmals daran dachte sofort abzu— 
reisen. Unter solchen Umständen konnte ein Einmischungsversuch des Ber— 
liner Kabinetts nur schaden. Aber auch König Friedrich fand auswärts 
keine Hilfe. Bei allen Höfen stand er im übelsten Rufe; alle ohne Aus— 
nahme verlangten, daß der europäische Skandal des schwäbischen Willkür— 
regiments ein Ende nehmen müsse. Fürst Metternich sprach sich sogar offen 
für die Sache des Landtags aus, da sein eigenes Geschlecht zu den württem— 
bergischen Mediatisierten gehörte und in den letzten Jahren schwere Unbill 
erfahren hatte.“) 
Der einst allmächtige kleine Herr war völlig vereinsamt; unaufhaltsam 
wuchs die Aufregung im Lande, aus mehreren Oberämtern kamen schon 
Proteste gegen die neue Steuerausschreibung. Nach seiner entschlossenen 
Art fand sich der König rasch in die veränderte Lage und berief in seiner 
Not den Freiherrn K. A. von Wangenheim in das Kabinett, einen Thüringer, 
dessen Name schon für einen ehrlichen Systemwechsel bürgte. Wangen— 
heim war bereits in jungen Jahren als koburgischer Beamter dem unred— 
lichen Regimente des Ministers Kretschmann mit unerschrockenem Freimut 
entgegengetreten und zur Strafe des Landes verwiesen worden. Er hatte 
dann in Franken eine Zuflucht gefunden bei dem ritterlichen Freiherrn 
von Truchseß, den die romantische Welt als einen zweiten Sickingen feierte, 
und dort auf der Bettenburg, in der neuen Herberge der Gerechtigkeit 
mit dem jungen Dichter Friedrich Rückert Freundschaft fürs Leben ge— 
schlossen. Als er einige Jahre nachher im Auftrage eines kleinen thüringi— 
schen Hofes nach Stuttgart kam, da gewannen ihm seine geistvollen, von 
übermütigen Einfällen sprudelnden Gespräche, seine glänzende Erscheinung 
und seine unverwüstliche Ausdauer beim Zechgelage das Wohlgefallen des 
Königs, der ihn sofort in seine Dienste nahm. Die Gnade währte nicht 
lange; „mein Student“, wie der König ihn nannte, erregte bald Anstoß 
durch das offenherzige Aussprechen seiner deutschen Gesinnung, und man 
  
*) Küsters Berichte, 1. Nov. 1815 ff.
	        
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