König Wilhelms Verfassungspläne. 321
Seinem Landtage trat der König mit ungeheuchelter Versöhnlichkeit
entgegen. Alle geheimen Pläne seines Ehrgeizes beruhten ja zunächst
auf der Hoffnung, daß die Nation ihn als den liberalsten aller deutschen
Fürsten feiern sollte. Mochten die landständischen Formen immerhin
lästig sein, er fühlte sich stark genug mit diesen Schreibern fertig zu
werden und auch als konstitutioneller Fürst am letzten Ende seinen Willen
durchzusetzen. Darum beließ er auch Wangenheim an der Spitze der
Geschäfte, obwohl diese beiden grundverschiedenen Naturen eigentlich nur
Eins gemein hatten, die Träume der Triaspolitik, und der Minister
bald bemerkte, daß der König ihn mit stillem Groll, nicht immer ganz
ehrlich behandelte.') Sofort wurde mit Benutzung des ständischen Ent—
wurfs ein neuer Verfassungsplan ausgearbeitet — es war bereits der
dritte in diesem endlosen Streite — und dem Landtage am 3. März 1817
übergeben. Die Erbietungen des Sohnes gingen noch weit über die letzten
Vorschläge des Vaters hinaus. Gleichwohl entbrannte von neuem der
hartnäckige Kampf um die alten Streitfragen: Einkammersystem, Steuer—
kasse, stehende Ausschüsse; und nochmals bekundete der Stuttgarter Pöbel
in lärmenden Aufläufen seine Teilnahme für die Altrechtler.
Als dies Treiben wieder ein Vierteljahr gewährt hatte, konnte der
König seine soldatische Barschheit nicht mehr bemeistern. Er beriet sich hinter
dem Rücken der Minister mit seinem Freunde, dem Freiherrn von Maucler,
dem Führer der einheimischen Bureaukratie, und legte den Ständen ein
binnen acht Tagen anzunehmendes und in der Tat annehmbares Ul-
timatum vor. Neue stürmische Entrüstung über dies kurz angebundene
Verfahren. Am 2. Juni verwarf der Landtag auch dies letzte Aner-
bieten; die Altwürttemberger, der größte Teil des Adels und eine kleine
klerikale Partei bildeten die Mehrheit. Während fast alle besonnenen
Politiker außerhalb des Landes jetzt auf die Seite des Königs traten,
war die Erbitterung der Landtagsmehrheit von Tag zu Tag gestiegen.
Die Altwürttemberger beanspruchten geradezu die itio in partes, so daß
sie sich ihre alten Sonderrechte selbst gegen den Willen der neuen Lan-
desteile vorbehalten dürften. Freiherr von Varnbüler versicherte bei der
Schlußabstimmung kurzab: er wolle das Volk unter der gegenwärtigen
Regierung lieber ohne Verfassung sehen, als ihm für die Zukunft den
Anspruch auf seine alte Verfassung vergeben. Mit dem konnte der Hof
nicht fertig werden; als man ihm den Kammerherruschlüssel abforderte,
sendete er das Kleinod durch die Post zurück und schrieb auf den Um-
schlag: „Sachen ohne Wert.“ Unter allen Zeichen königlicher Ungnade
wurde der Landtag aufgelöst und den auswärtigen Mitgliedern sogar der
Aufenthalt in der Hauptstadt verboten. Ein Versuch, den königlichen Ent-
wurf durch eine Volksabstimmung durchzusetzen, mißlang gänzlich, und
*) Wangenheim an Hartmann, 3. Februar 1832.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 21