Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Der Verfassungsplan von 1815. 341 
Provinzialstände die politische Bildung erweckt werden, da der Deutsche 
das Repräsentativsystem nicht verstehe. Der Minister konnte nicht hindern, 
daß der König, um den Beschlüssen des Wiener Kongresses zuvorzukommen, 
eine Kommission zur Durchsicht jenes papiernen Grundgesetzes einberief; er 
gab jedoch den Einberufenen unzweideutig zu verstehen, daß die bayrischen 
Landstände nicht mehr bedeuten dürften als die parlamentarischen Institu- 
tionen Napoleons. Wagte sich einmal eine freiere Meinung in der Kom- 
mission heraus, dann hieß es kurzab: der König und seine Beamten seien 
als die eigentlichen Repräsentanten der Nation zu betrachten; unbegreiflich, 
wie man von der Erweiterung der ständischen Rechte auch nur reden 
könne, da doch der König nur aus besonderer Gnade auf einige seiner 
Souveränitätsrechte verzichtet habe. 
Die Kommission, die zum größten Teile aus ergebenen Dienern 
des Ministers sowie aus einigen hochkonservativen altbayrischen Edelleuten 
bestand, nahm sich diese Winke zu Herzen und brachte einen wunder- 
baren Entwurf zustande, der allen Wünschen der Bureaukratie und 
des Junkertums gleichmäßig entsprach. Ein Oberhaus, mit dem be- 
scheidenen Namen „Kammer der Reichsräte"“ geschmückt, und eine De- 
putiertenkammer bilden zusammen die bayrische „Nationalrepräsentation“. 
Für die Deputiertenstellen werden durch indirekte Wahl je drei Kandi- 
daten vorgeschlagen, aus denen der König, nach dem bewährten napo- 
leonischen Brauche, einen ernennt; die Grundholden aber, die Masse der 
Bauernschaft, bleiben von der Repräsentation gänzlich ausgeschlossen, weil 
sie schon durch ihre Grundherren vertreten sind. Der Zusammensetzung 
dieser Volksvertretung entspricht auch das Maß ihrer Rechte: unter 
dringenden Umständen darf die Krone sogar direkte Steuern einseitig 
ausschreiben, die Staatsgüter kann sie jederzeit veräußern ohne die 
Kammer auch nur zu benachrichtigen. Eine solche Verfassung erschien 
wie Spott. Der Kronprinz fühlte es und bewog den König seine Zu- 
stimmung zu versagen als der unglückliche Entwurf im Februar 1815 
in Wien anlangte. Die Kommission ward aufgelöst. Montgelas aber 
sah dem Schiffbruch mit stiller Schadenfreude zu und ließ fortan zwei 
Jahre hindurch die leidige Sache gänzlich ruhen. Daß der verhaßte 
preußische Nebenbuhler sein Verfassungswerk früher beendigen würde, 
stand ja nicht mehr zu befürchten; auch der Bundestag drängte nicht, 
und von einer altständischen Bewegung zeigte sich in Bayern keine Spur. 
Die stolze Macht der altbayrischen Landtage, die einst in den stürmischen 
Tagen des Löwlerbundes so oft das Recht des bewaffneten Widerstandes 
geübt hatten, war schon seit dem sechzehnten Jahrhundert gebrochen; bei 
seiner Thronbesteigung hatte Max Joseph nur noch einen leblosen Land- 
tagsausschuß, die Verordnung, vorgefunden und dies letzte Trümmerstück 
fast ohne Kampf beseitigt. Vergeblich versuchte jetzt der Würzburger Pro- 
fessor Rudhart, durch seine gelehrte Geschichte der bayrischen Landstände
	        
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