Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

368 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
liken in unverbrüchlicher Treue an ihrer alten Kirche hing, und hoffte 
zuversichtlich, die Kurie werde schon aus Furcht alles was man ihr vorlege 
annehmen. Im Dezember 1817 wendete sich Wangenheim an die Bundes- 
gesandten von Baden, Nassau, beiden Hessen, Hannover, Oldenburg, 
Luxemburg und lud diese Höfe ein, durch Bevollmächtigte in Frankfurt 
die Grundsätze eines gemeinsamen Konkordats zu vereinbaren. Der bei- 
gelegte Vertragsentwurf stimmte mit den Gedanken Wessenbergs nahezu 
überein: er verlangte als unerläßlich das Placet und die Ernennung der 
Bischöfe durch die Landesherren, desgleichen die Erziehung der Geistlichen 
durch den Staat. Dies alles dachte der phantasiereiche Staatsmann 
durch ein Ultimatum bei dem heiligen Stuhle alsbald durchzusetzen, obschon 
jedermann wußte, daß der Papst die Ernennung der Bischöfe noch nie- 
mals einem akatholischen Fürsten förmlich zugestanden hatte. Baden, 
Nassau und die beiden Hessen entsprachen der Einladung, und im März 
1818 begannen unter Wangenheims Vorsitz die Frankfurter Konferenzen. 
Einige norddeutsche Kleinstaaten, die sich anfangs angeschlossen, traten 
bald zurück. Das so ruhmredig angekündigte Unternehmen beschränkte 
sich schließlich auf den Plan der Errichtung einer kleinen gemeinsamen 
Erzdiözese für die Landesbistümer der oberrheinischen Kleinstaaten. 
Auch den preußischen Bundesgesandten hatte Wangenheim einer 
Einladung gewürdigt. Unterwarf sich der Berliner Hof der kirchenpoli- 
tischen Führung Württembergs, so mochte er teilnehmen; wo nicht, so 
war das reine Deutschland sich selbst genug. Selbst der gutmütige 
Goltz fand es doch befremdlich, daß Preußen so beiläufig als ein Neben- 
land der zukünftigen oberrheinischen Kirchenprovinz behandelt wurde, und 
konnte nicht begreifen — so schrieb er dem Staatskanzler — warum gerade 
Württemberg immer und überall sich vordrängen müsse.) Hardenberg 
aber verschmähte einen Notenwechsel und begnügte sich seinen deutschen 
Gesandtschaften mitzuteilen: Preußen bleibe den „Konventikeln der kleinen 
Höfe“ fern, da die eigentümlichen kirchlichen Interessen der Monarchie 
„keine Vermischung vertrügen“", und der herrische Ton der Kleinstaaten bei 
dem römischen Stuhle gar nichts erreichen würde. Auch Metternich hielt 
die Unternehmung der Frankfurter Verbündeten für aussichtslos.) Beide 
Großmächte wußten, daß man nicht mehr der gefügigen Kurie des acht- 
zehnten Jahrhunderts gegenüberstand; sie wußten auch, daß Consalvi 
die Frankfurter Konferenzen als ein Werk Wessenbergs und darum von 
vornherein mit Argwohn betrachtete. Wohl war es ein Unheil, fort- 
wirkend bis zum heutigen Tage, daß auch diese große gemeinsame An- 
gelegenheit dem Partikularismus anheimfiel. Aber so lange Deutschland 
des nationalen Staates entbehrte, blieb die deutsche Nationalkirche ein 
unmögliches Traumbild. — 
*) Wangenheim an Goltz, 13. Dezbr. Goltz's Bericht, 18. Dezbr. 1817. 
**) Krusemarks Bericht, Wien 22. April. Weisung an Krusemark, 20. Mai 1818. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.