Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

402 II. 7. Die Burschenschaft. 
An der lächerlichen Großmannssucht seiner freundlichen Dynasten 
nahm das kleinlebige Volk keinen Anstoß. Im Gothaer Wappen prangten 
die Schilde von dreiundzwanzig Herzogtümern, Fürstentümern und Graf— 
schaften; die Schwarzburger führten sogar den Doppeladler, noch von den 
Zeiten des Gegenkaisers Günther her, und ließen selbst die Warnungstafeln 
in dem herrlichen Wildpark des Schwarzatals mit blauen Lettern auf 
weißem Papier bedrucken, damit der Untertan seiner Landesfarben nicht 
vergäße. Wie dort alles blauweiß, so prangte in den Landen der Reußischen 
Fürsten alles schwarzrotgelb. Auch dieses kleine vogtländische Herrenge— 
schlecht hatte einst auf den Höhen der Geschichte gestanden, als die beiden ge— 
waltigen Heinrich von Plauen, die finsteren Helden des Deutschen Ordens, 
die Verzweiflungskämpfe gegen die Polen führten; in der langen Zeit seit— 
dem war sein Dasein der Welt freilich nur selten bemerkbar geworden. 
Alle diese kleinen Dynasten dünkten sich im Vollgenusse der neuen Sou— 
veränität jedem Könige der Erde gleich; in Wahrheit blieb ihre Stellung 
unter den deutschen Fürsten recht bescheiden. Als einer von ihnen einst seine 
Blicke zu der Tochter eines größeren Fürstengeschlechts zu erheben wagte, 
erbat er sich erst vom König Friedrich Wilhelm den roten Adlerorden, 
„um am großherzoglichen Hofe einen günstigeren Eindruck zu machen,“ 
und ließ sodann durch General Lestocq, den gemeinsamen Vertreter der 
kleinen Thüringer in Berlin einen kühn entworfenen diplomatischen Feld— 
zug beginnen; aber obwohl der Gesandte sein Bestes tat, erlangte sein 
junger Souverän schließlich doch nur den Orden, nicht die Hand der 
Prinzessin.“) — 
Seltsame Laune des Schicksals, daß gerade Karl August in diese Welt 
der Kleinheit, wo alle Geschichte sich in Anekdoten auflöste, verschlagen 
wurde. Wie stürmisch hatte es einst in ihm gekocht und getobt, als er 
in früher Jugend schon die Herrschaft antrat und nun sogleich Goethe 
und Herder berief, die französischen Formen des Hoflebens sprengte, mit 
fridericianischem Eifer in die Rechtspflege, das Schulwesen, den Landbau 
fördernd eingriff, alle die Keime einer freieren Bildung, welche seine edle 
Mutter Anna Amalia in ihrer langen vormundschaftlichen Regierung ge— 
legt, zur fröhlichen Entfaltung brachte und bei alledem doch nicht seinen 
Frieden fand. Verwundert blickte das Volk auf den genialischen Über— 
mut des weimarischen Musenhofes, und alle die Lästerzungen des deut— 
schen Parnasses, die ihre großen Genossen um das warme Nest beneideten, 
wußten nicht genug zu erzählen von dem unsteten Treiben des jungen 
Herzogs, wie er bald auf wilden Gelagen und glänzenden Maskenfesten 
die Nächte durchraste, bald auf der Ettersburg vor den Laub-Kulissen 
des Gartentheaters saß und den Dramen seines Freundes lauschte, bald 
wieder hinausjagte in tollem Ritt über Gräben und Hecken oder mit den 
— 
  
*) Frankenbergs Berichte, Berlin 13. Nov. 1827 ff.
	        
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