Karl August von Weimar. 403
Bauerdirnen auf der Dorfkirchweih „mieselte“ und dann wieder tagelang
in der Borkenhütte seines Parks sich vergrub, allein mit der unendlichen
Sehnsucht seines Herzens. Was ihn damals so rastlos umhertrieb, war
nicht bloß die natürliche Ungeduld vollsaftiger Jugend, sondern der unbe—
friedigte Ehrgeiz eines tatenfrohen Geistes, dem das Schwerste gerade
leicht genug schien, der die Unwahrheit einer Fürstenwürde ohne Macht
bitter empfand
und was ihm das Geschick durch die Geburt geschenkt,
mit Müh' und Schweiß erst zu erringen denkt.
„Mit Hilfe Goethes und des guten Glücks“ hatte er dann doch gelernt,
sich in sein enges Schicksal zu fügen und im kleinsten Punkte die höchste
Kraft zu sammeln.
Seit vierzig Jahren verehrte ihn die Nation als den menschlich
größten unter den Mäcenaten der neuen Geschichte. Jene berechnende
Klugheit kaufmännischer Dynastenpolitik, die bei der Kunstliebe Lorenzos
von Medici doch mitwirkte, war dem Erben des alten stolzen Ernestiner—
hauses völlig fremd. Wenn er mit sicherer Menschenkenntnis aus den
Talenten der deutschen Literatur die besten und größten um sich versam—
melte, so leitete ihn allein der lautere Idealismus eines unendlich em—
pfänglichen Geistes, der das ganze Gebiet menschlichen Erkennens und
Bildens mit freudigem Verständnis umfaßte, und eine glühende Begeiste—
rung für den Ruhm der Nation. Sein Ehrgeiz war, wie er noch im Alter
bei der Erneuerung seines Hausordens aussprach, „daß auf eine gründ—
liche und des Ernstes des deutschen Nationalcharakters würdige Weise sich
Licht und Wahrheit verbreite“. Sein lebendiges, durch ernste Studien
geschultes Naturgefühl schätzte in der Kunst nur das Naive, das Einfache,
das Vaterländische; alle Mystik, alle gesuchte Künstelei war ihm verhaßt,
und wenn sie auch mit so prächtigen Gewändern auftrat wie in Schillers
Braut von Messina. Aber niemals hätte er sich vermessen den Genius
zu gängeln; frei und unbekümmert sollte die deutsche Kunst sich ihre
Wege finden, so wie er selber durchs Leben ging, freimütig, derb, form—
los, kräftig in allem, selbst in den Verirrungen seiner ungebändigten Sinn—
lichkeit, ein rastlos strebender Geist, der jeden mißlungenen Versuch hoch-
herzig vergaß, um sogleich wieder an ein neues Unternehmen zu schreiten.
Nur eine so ursprüngliche Natur konnte sich fünfzig Jahre lang neben
Goethe in sorgloser Selbständigkeit behaupten. Er wußte wohl, was er
dem Freunde dankte, wenngleich Augenblicke der Entfremdung kamen,
und blickte bewundernd zu ihm auf; doch er fand es „possierlich wie dieser
Mensch immer feierlicher wurde“ und ließ sich durch das umständliche
Wesen des Alternden in seiner eigenen fröhlichen Ungebundenheit nicht
stören. Auf den ersten Blick mochte man den stämmigen Mann wohl
für einen schlichten Jäger halten, wenn er in seiner alten grünen Pikesche
und der Soldatenmütze, die Zigarre im Munde, mit seinen Hunden durch
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