Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Karl August von Weimar. 403 
Bauerdirnen auf der Dorfkirchweih „mieselte“ und dann wieder tagelang 
in der Borkenhütte seines Parks sich vergrub, allein mit der unendlichen 
Sehnsucht seines Herzens. Was ihn damals so rastlos umhertrieb, war 
nicht bloß die natürliche Ungeduld vollsaftiger Jugend, sondern der unbe— 
friedigte Ehrgeiz eines tatenfrohen Geistes, dem das Schwerste gerade 
leicht genug schien, der die Unwahrheit einer Fürstenwürde ohne Macht 
bitter empfand 
und was ihm das Geschick durch die Geburt geschenkt, 
mit Müh' und Schweiß erst zu erringen denkt. 
„Mit Hilfe Goethes und des guten Glücks“ hatte er dann doch gelernt, 
sich in sein enges Schicksal zu fügen und im kleinsten Punkte die höchste 
Kraft zu sammeln. 
Seit vierzig Jahren verehrte ihn die Nation als den menschlich 
größten unter den Mäcenaten der neuen Geschichte. Jene berechnende 
Klugheit kaufmännischer Dynastenpolitik, die bei der Kunstliebe Lorenzos 
von Medici doch mitwirkte, war dem Erben des alten stolzen Ernestiner— 
hauses völlig fremd. Wenn er mit sicherer Menschenkenntnis aus den 
Talenten der deutschen Literatur die besten und größten um sich versam— 
melte, so leitete ihn allein der lautere Idealismus eines unendlich em— 
pfänglichen Geistes, der das ganze Gebiet menschlichen Erkennens und 
Bildens mit freudigem Verständnis umfaßte, und eine glühende Begeiste— 
rung für den Ruhm der Nation. Sein Ehrgeiz war, wie er noch im Alter 
bei der Erneuerung seines Hausordens aussprach, „daß auf eine gründ— 
liche und des Ernstes des deutschen Nationalcharakters würdige Weise sich 
Licht und Wahrheit verbreite“. Sein lebendiges, durch ernste Studien 
geschultes Naturgefühl schätzte in der Kunst nur das Naive, das Einfache, 
das Vaterländische; alle Mystik, alle gesuchte Künstelei war ihm verhaßt, 
und wenn sie auch mit so prächtigen Gewändern auftrat wie in Schillers 
Braut von Messina. Aber niemals hätte er sich vermessen den Genius 
zu gängeln; frei und unbekümmert sollte die deutsche Kunst sich ihre 
Wege finden, so wie er selber durchs Leben ging, freimütig, derb, form— 
los, kräftig in allem, selbst in den Verirrungen seiner ungebändigten Sinn— 
lichkeit, ein rastlos strebender Geist, der jeden mißlungenen Versuch hoch- 
herzig vergaß, um sogleich wieder an ein neues Unternehmen zu schreiten. 
Nur eine so ursprüngliche Natur konnte sich fünfzig Jahre lang neben 
Goethe in sorgloser Selbständigkeit behaupten. Er wußte wohl, was er 
dem Freunde dankte, wenngleich Augenblicke der Entfremdung kamen, 
und blickte bewundernd zu ihm auf; doch er fand es „possierlich wie dieser 
Mensch immer feierlicher wurde“ und ließ sich durch das umständliche 
Wesen des Alternden in seiner eigenen fröhlichen Ungebundenheit nicht 
stören. Auf den ersten Blick mochte man den stämmigen Mann wohl 
für einen schlichten Jäger halten, wenn er in seiner alten grünen Pikesche 
und der Soldatenmütze, die Zigarre im Munde, mit seinen Hunden durch 
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