404 II. 7. Die Burschenschaft.
den Park schritt; doch über der hohen Stirn, den großen Augen und den
breiten Ernestinischen Kinnladen lag ein eigentümlicher Ausdruck selbst—
bewußter Hoheit, und wer ihm näher trat fühlte bald, daß hier ein ge—
borener Fürst stand, der sich durch eigene Kraft auf den Höhen der Mensch—
heit behauptete. Als er im Alter sich eine Zeitlang in Mailand aufhielt,
da erinnerte er die Italiener lebhaft an die großen Fürstengestalten ihres
Cinquecento und sie nannten ihn il principe uomo.
Aber pflichtgetreuer als die Visconti und die Sforza wußte er mit
der Lust am Schönen den stillen Fleiß des sorgsamen Landesherrn zu
verbinden; kein Geschäft der Verwaltung war ihm zu gering, und nie—
mals hat sein kleines Land unter dem Glanze des kunstsinnigen Hofes
gelitten. Es ist seine historische Größe, daß er die vorherrschende Rich—
tung zweier Zeitalter, den literarischen Idealismus des achtzehnten, den
politischen des neunzehnten Jahrhunderts mit freiem Sinn erkannte und,
wie niemand sonst unter den Zeitgenossen, beiden gerecht zu werden ver—
stand. Das Verständnis für den Staat hatten ihm schon in der Jugend
seine Lehrer geweckt, erst Graf Görtz, der eifrige diplomatische Gehilfe
Friedrichs des Großen, dann Wieland, der einzige unter unseren Klas—
sikern, der den Wendungen der Tagespolitik mit reger Teilnahme folgte;
und mit derselben glücklichen Sicherheit des Urteils, die ihn die echten
Helden deutscher Kunst erkennen ließ, wendete er sich auch in der Politik
dem Wahren, dem Lebendigen zu. Auf Preußen standen alle seine Hoff-
nungen, als er seine kühnen Pläne für den Fürstenbund schmiedete; mit
Preußen dachte er im Jahre 1806 zu stehen oder zu fallen. Auf dem
Rückzuge nach der Jenaer Schlacht sagte er einmal, am Wachefeuer auf
einer Trommel sitzend, gelassen zu den Kameraden: „Herzog zu Weimar
und Eisenach wären wir nun einstweilen gewesen.“ Erst auf das aus-
drückliche Verlangen des Königs verließ er die Armee und schloß seinen
Frieden mit dem Imperator. Jahrelang war er dann im stillen tätig,
um den Befreiungskampf vorzubereiten.
Als er nun auf dem niederländischen Kriegsschauplatz nochmals seine
Kriegerpflicht erfüllt hatte und endlich tief verstimmt von den Enttäu-
schungen des Wiener Kongresses heimkehrte, da erschien ihm die Ausfüh-
rung des Art. 13 als ein Gebot der Ehre und der Klugheit. Nicht als ob
er eine Vorliebe für die neuen liberalen Theorien gehegt hätte. Die fran-
zösische Revolution ließ ihn von Haus aus kalt, weil die Unsittlichkeit dieser
Klassenkämpfe sein gesundes Gefühl abstieß: „die Unterdrücker unterdrücken
ihre alten Beherrscher, nicht das mindeste Moralische liegt dabei zugrunde."
Aber er verstand die Zeit, er wußte, daß sie der konstitutionellen Formen
nicht mehr entbehren konnte, und was konnte er, der die Furcht nie ge-
kannt, von einem kleinen Landtage besorgen? Wohl mochte er hoffen,
durch sein Beispiel einzelne Angstliche unter den kleinen Fürsten zu einem
notwendigen Entschlusse zu ermutigen; doch nichts lag seinen klaren.