410 II. 7. Die Burschenschaft.
Verhöhnung Preußens als das sicherste Kennzeichen der Freisinnigkeit.
Während er dem Kaiser Franz schonende Ehrfurcht erwies und sogar die
lächerliche Frankfurter Eröffnungsrede des Grafen Buol mit Lob bedachte,
öffnete er die Spalten seiner Isis schadenfroh allen Feinden Preußens.
Heute begann ein Rheinländer ein schluchzendes „Rheinweinen“ wegen
der vielen Protestanten in den preußischen Behörden: „man will nur dem
Lande schaden, es soll nur unser Selbstgefühl gedemütigt werden.“ Morgen
bejammerte ein guter Schwede aus Greifswald die Verpreußung seines
Vaterlandes. Dann wieder klagten einige Arzte aus der Provinz Sachsen
über brutale Beleidigung ihrer gelehrten Standesehre, weil sie jetzt, so
gut wie ihre Apotheker, ja wie gemeine Handwerker, die preußische Ge-
werbesteuer bezahlen mußten. Napoleon selbst hatte nie etwas so Em-
pörendes getan wie Preußen mit dem Verbote des Rheinischen Merkurs;
was wollte, fragte die Isis, die Ermordung Palms daneben bedeuten?
Über die Universität Bonn, die den Glanz von Jena so bald überstrahlen
sollte, urteilte Oken noch bevor sie eröffnet war: Alles ist schon so gut
als verdorben durch die Stückelgeschäfte und Stückelkenntnisse preußischer
Regierungs-Individuen. Der eigentliche Herd aller preußischen Nichts-
würdigkeiten aber blieb das Heer mit seiner allgemeinen Wehrpflicht: war
es nicht unerhört, so führte die Nemesis aus, daß der Leutnant so viel
früher ins Brot kam als der Referendar? und war es nicht barbarisch,
so fragte Oken, daß man in Preußen „geistige Kräfte als gemeine Sol-
daten zu Pulverfutter verwendete“?
Jeder Nichtswürdige, der den Ernst des preußischen Gesetzes zu fühlen
bekam, konnte auf den Beistand dieser gelehrten Publizisten zählen, wenn
er sich nur als politischer Märtyrer gebärdete. Im Jahre 1817 bot
Massenbach die Handschrift eines neuen Bandes seiner verlogenen Denk-
würdigkeiten, bei denen er viele amtliche Papiere widerrechtlich benutzt hatte,
der preußischen Regierung für 11,500 Friedrichsdor zum Kaufe an; er
wurde darauf mit Genehmigung des Senats in Frankfurt verhaftet und,
nach einem sorgfältigen Berichte des Generals Grolman, auf Beschluß
des Staatsrats als ein ohne Abschied entlassener Offizier vor ein Kriegs-
gericht gestellt, das ihn wegen versuchter Erpressung und Verletzung der
Diensttreue zur Festungsstrafe verurteilte.') Und in diesem schmutzigen
Handel, dessen Verlauf der Staatskanzler sogleich veröffentlichen ließ, er-
griff Ludens Nemesis die Partei des Helden von Prenzlau: wer einem
Throne gegenüber so frei rede, wie Massenbach in Württemberg, könne
doch keiner Schlechtigkeit fähig sein! Der Frankfurter Senat aber ward
von den Aposteln der deutschen Einheit hart angelassen, weil er unein-
gedenk der Souveränität seines Staates einen gemeinen Verbrecher einem
andern Bundesstaate ausgeliefert hatte!
*) Protokolle des Staatsrats, 7. Juli 1817.