Arndt und die Jugend. 413
Geheimbünden des alten Jahrhunderts verschwanden auch ihre Geistes—
verwandten, die Orden der Studenten. Die Landsmannschaften, die seit-
dem wieder auflebten, bewachten eifersüchtig ihre geschlossenen Werbebe—
zirke, pflegten einen kleinlichen partikularistischen Sinn, der alles Aushei—
mische dünkelhaft abwies, und ertöteten jedes kräftige Selbstgefühl durch
einen brutalen Pennalismus. Der Fuchs durfte nicht klagen, wenn ein
heruntergekommenes altes Haus ihm ein Smollis anbot und darauf mit
ihm hutschte: dann mußte er alles, was er auf dem Leibe trug, Kleider,
Uhr und Geld gegen die dürftigen Lumpen seines Gönners vertauschen.
Wer in dieser Schule aufwuchs lernte die Kunst nach oben zu ducken,
nach unten zu drucken.
Wie oft hatte Fichte einst in Jena und in Berlin gegen dies Unwesen
geeifert. Unter seinen Getreuen entstand bereits im Jahre 1811 der Plan
einer Burschenschaft oder Deutsch-Jüngerschaft; der Philosoph billigte das
Unternehmen und fügte nur, da er seine Leute kannte, die besonnene
Mahnung hinzu: die Burschen sollten sich hüten, mittelalterlich und deutsch
zu verwechseln, und das Mittel, die Verbindung nicht höher stellen als
den Zweck, die Belebung deutschen Sinnes. An diese Berliner Entwürfe
knüpften jetzt die Jenenser wieder an. Sie kannten den Ernst des Waffen—
handwerks und wollten durch Ehrengerichte die rohe Rauflust bändigen;
sie hatten im Kriege als eines Volkes Söhne Schulter an Schulter ge—
kämpft und forderten völlige Gleichheit aller Studenten, Abschaffung des
Pennalismus und aller der Vorrechte, welcher der Grafenbank noch auf
manchen Universitäten zustanden. Ihr letzter und höchster Gedanke aber
blieb die Einheit Deutschlands: in einem einzigen großen Jugendbunde, der
alle landsmannschaftliche Sonderbünde vernichtete, sollte sich die Macht
und Herrlichkeit des Vaterlandes verkörpern.
Arndts Vaterlandslied bildete das eigentliche Programm der Bur-
schenschaft, Freund und Feind betrachteten den Dichter als den Führer
der teutonischen Jugend, obgleich er an den Entwürfen des jungen
Volks unmittelbar gar keinen Anteil nahm. Nach einem langen be-
wegten Wanderleben war er jetzt endlich in Bonn zur Ruhe gekommen
und baute für sich und seine junge Frau, die Schwester Schleiermachers,
ein bescheidenes Gartenhaus auf der Höhe dicht am Rheinz hier dachte
er „die Herrlichkeit des Siebengebirges gerade aufs Korn zu nehmen“ und
in stillem Glück sich zu sammeln für die Arbeit des Katheders. Wohl
schwärmte er so treuherzig wie der jüngste Bursch für „die goldene akade-
mische Freiheit, die uralte und herrlichste Ritterschaft der Germanen“ ;
aber als ihn ein Heidelberger Student über die Reform des akademischen
Lebens befragte, da warnte er seine jungen Freunde, in der Schrift über
den deutschen Studentenstaat, nachdrücklich vor radikalen Torheiten:
„lieber das Bestehende walten lassen als das unerreichbare Vollkommene
erstreben.“ Längst hatte er sich in treuer Liebe an Preußen und sein