Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Der Federkrieg um das Wartburgfest. 429 
Geschichte, diesen Blütendurchbruch unserer Zeit;“ die alte Angst des ge— 
zähmten Philisters vor dem nachtwächter-prügelnden Studenten kleidete 
sich in politische Gewänder. Eine ganze Literatur von Schriften und 
Gegenschriften beleuchtete das wunderbare Schauspiel von allen Seiten 
und erhob den Studentenkommers auf die Höhe eines europäischen Er— 
eignisses. Natürlich daß die Helden selber an diesem Federkriege mit 
gerechtem Stolze teilnahmen. Das treueste Bild von der nebelhaften Be— 
geisterung der jungen Leute gab Maßmann in einem langen Festberichte, 
dessen geschraubte orakelhafte Sprache freilich auch zeigte wie viel un— 
deutsches Wesen sich in dem Jahnschen Kraftmenschentum verbarg: „Ob— 
schon nun die trübe Winternacht der Knechtschaft“ — so hob er an — 
„noch immer lastet auf den Bergen und an den Strömen des deutschen 
Landes, so sind doch der Berge Gipfel vergoldet, das blutgoldene Morgen— 
rot zieht herauf.“ Der arme Junge hatte jetzt schon für die Narrheit 
des Turnmeisters schwer zu büßen; da er eine Untersuchung fürchtete und 
vor den Richtern doch nicht eine gar zu traurige Figur spielen wollte, so 
mußte er ein ganzes Wintersemester opfern um alle die Schandbücher, 
die er auf dem Wartenberge symbolisch verbrannt hatte, nachträglich zu 
lesen. Ein anderer, vermutlich Carové, widmete sein Buch seinen rhein— 
ländischen Landsleuten mit dem Wunsche, daß die Geistessonne von der 
Wartburg auch sie erleuchten, ihnen Trost und Stärkung bringen möge 
in ihrem Unglück. Indes blieb die Mehrheit noch immer leidlich ruhig. 
Ein Antrag auf Veröffentlichung eines politischen Programms wurde ver— 
worfen mit der ausdrücklichen Erklärung, daß die Burschenschaft sich nicht 
in die Politik zu mischen habe; auch eine kleine Schrift über das Wart— 
burgfest von F. J. Frommann, dem Sohne der angesehenen Jenenser Buch— 
händlerfamilie, war durchaus bescheiden, von einem harmlosen jugendlichen 
Enthusiasmus erfüllt. 
Leider gebärdeten sich mehrere der Professoren, welche dem Feste bei— 
gewohnt, weit törichter als ihre Schüler. Fries nahm keinen Anstand, 
in einer musterhaft groben Zeitungserklärung das Flammengericht über 
die Schriften „einiger Schmalzgesellen“ schlankweg zu billigen; Oken aber 
hielt in der Isis die Wartburgversammlung „Vielen die über Deutschland 
Rat und Unrat halten“ als leuchtendes Beispiel vor und verschwendete 
die ganze Bilderpracht seiner Gänse-, Esels-, Pfaffen= und Judenköpfe um 
die Verfasser der verbrannten Schriften noch einmal zu verhöhnen, worauf 
denn die Jenenser Burschen die Zerrbilder der Isis in einem Masken- 
zuge auf dem Markte dramatisch darstellten. Kieser endlich, der unter den 
Medizinern trotz seiner magnetischen Geheimlehren als geistreicher Kopf und 
tüchtiger Gelehrter geachtet war, veröffentlichte eine „dem Wartburgsgeiste 
der deutschen Hochschulen gewidmete“ Schrift, die in aberwitzigen Prahlereien 
geradezu schwelgte: da war die Wartburgsfeier „ein Ereignis, auf welches 
Deutschlands Völker noch nach Jahrhunderten stolz sein werden, das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.