Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Luden und Kotzebue. 433 
Auf die Stimmung der Studenten wirkte die Angstlichkeit der Ka- 
binette sehr schädlich ein: die Burschen meinten auf der Höhe der Welt- 
geschichte zu stehen, seit alle Großmächte des Festlandes wider sie auftraten. 
Die demokratischen Ideen, die bisher unter der Decke der christlich -ger- 
manischen Phantasterei geschlummert hatten, traten jetzt keck hervor; neben 
Körners Liedern ward schon die vom alten Voß verdeutschte Marseillaise 
häufig gesungen: 
Wir nah'n, wir nah'n! Beb’, Mietlingsschwarm, 
Entfliehe oder stirb! — 
und niemand fragte mehr, welchem Volke denn dieser „Mietlingsschwarm"“ 
Rouget de Lisles angehört hatte. Die radikale Partei der „Altdeutschen“ 
sonderte sich allmählich schärfer von der unschuldigen Masse der Burschen 
ab. Während diese, des ewigen politischen Geschwätzes müde, sich in Lichten- 
hain ein lustiges Bierherzogtum einrichtete, saßen jene „ruhigen republi- 
kanischen Staatsmänner“, wie Arnold Ruge sie nennt, in ihrer Republik 
Ziegenhain feierlich beisammen und untersuchten in pathetischen Reden, 
ob die Einheit Deutschlands besser durch Ermordung oder durch friedliche 
Mediatisierung der Fürsten zu erreichen sei. Ein neues Lied „Dreißig oder 
dreiunddreißig, gleichviel!“ — sprach sich sehr aufrichtig für den ersteren 
Weg aus, doch gab es auch noch einzelne sanfte Naturen, welche dem 
König von Preußen ein Gnadengeld von 300 Tlr. jährlich vergönnen 
wollten. Die Torheit begann doch recht zuchtlos zu werden; und wie die 
Umgangsformen dieser turnenden Jugend sich verfeinerten, das bekam der 
unschuldige Fries oft zu spüren. Er verkehrte mit seinen jungen Freunden 
auf Du und Du und durfte sich nicht wundern, als ihm einer seiner Stu- 
denten schrieb: „Ich denke, ich schreibe künftig nicht mehr an den Hofrat 
Fries, sondern ich schreibe an Dich meinen älteren Freund Fries, und Du 
schreibst an Deinen treuen Schüler D. Nun sieh, Du alter braver Kerl, 
wir sind jüngere Leute, und uns ist ein besseres Leben aufgegangen als 
Dir in Deiner Jugend.“ 
Bald nach dem Wartburgfeste goß ein häßlicher literarischer Zank 
abermals Ol ins Feuer. Seit langem war Kotzebue den Burschen ein 
Dorn im Auge; sie haßten die weichliche Lüsternheit seiner Dramen und 
fürchteten ihn als einen gewandten Widersacher. In seinem Literarischen 
Wochenblatte, das sich der besonderen Gunst Metternichs erfreute, vertrat 
er die Anschauungen des aufgeklärten Absolutismus, feierte Rußlands 
Ruhm mit untertäniger Schmeichelei und bekämpfte den Idealismus der 
Jugend, wie alles was über den platten Verstand hinausging, so hämisch 
und boshaft, daß selbst Goethe ihm das Feuergericht auf der Wartburg 
von Herzen gönnte und ihm zurief: 
Du hast es lange genug getrieben, 
Niederträchtig vom Hohen geschrieben. 
Daß Du Dein eigenes Volk gescholten, 
Die Jugend hat es Dir vergolten. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 28
	        
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