452 II. 8. Der Aachener Kongreß.
das offen eingestandene Mißtrauen des Preußen gegen Rußlands ehrgeizige
Pläne zu beschwichtigen und entschuldigte sich sogar vor ihm wegen des
Tilsiter Friedens und der Erwerbung von Bialhstock..) In Berlin be-
teuerte er seinem königlichen Freunde, als dieser den Grundstein des
Siegesdenkmals auf dem Kreuzberge legte, noch einmal vor allem Volke
seine unverbrüchliche Treue und vernahm befriedigt, wie Stägemann ihn in
einer pomphaften Ode als die Seele des europäischen Friedensbundes feierte:
Und Heil Dir dreimal, Heil dem versöhnenden,
Dem Bundeshort! Der Könige Stirnen, oft
Berauscht vom Lorbeer, sind nicht allzeit
Fromme Bewahrer des milden Olzweigs.
Auch in Weimar, in Darmstadt, in Frankfurt, überall wohin ihn seine
Reise noch führte, mahnte er die Fürsten und Staatsmänner zur Wach-
samkeit gegen die Demagogen und erinnerte nachdrücklich an die konser-
vativen Grundsätze des heiligen Bundes.
Mittlerweile waren Metternich und Gentz mit Kapodistrias in Karlsbad
zusammengetroffen. Das Städtchen im Waldtale der Tepel war damals
das eleganteste Modebad Deutschlands und wurde von Gentz als ein „für
uns höchst nützlicher Ort“ gelobt. Hier strömte alljährlich die vornehme
Welt von den deutschen Höfen zusammen und erlabte sich an den eigen-
tümlichen Freuden des aristokratischen alten Osterreichs; kein einziges
schönes Gebäude in dem ganzen Tale, aber dafür reizende Frauen und
prächtige Toiletten so viel das Herz begehrte, Konzerte, Schmäuse und
Bälle im Uberfluß und eine Kavalier-Allee, wo jeder Reiter einen Du-
katen Eintrittsgeld bezahlte. Hier trat Metternich wie der Herr vom
Hause auf, bezauberte jedermann bald durch geheimnisvolle Würde, bald
durch verbindliche Liebenswürdigkeit und lud auch wohl einzelne bevor-
zugte Gäste, vornehmlich die Preußen, nach dem nahen Königswart ein,
wo er sich sein häßliches Schloß, nach seiner Art, durchaus geschmacklos
aber glänzend eingerichtet hatte. Von den Unterredungen mit Kapodistrias
versprach er sich nichts Gutes, da er den Philhellenen kurzweg zu „den
faselnden Staatsmännern“ rechnete. Wie groß war sein Erstaunen, als.
er den Griechen ganz konservativ gesinnt fand und die Überzeugung ge-
wann, daß Alexander mindestens „das Grundprinzip der Erhaltung der
Ruhe“ unbedingt anerkenne. Befriedigt schrieb er seinem Monarchen,
was Kaiser Franz immer am liebsten hörte: es werde doch wohl alles
beim alten bleiben. Dies Rußland, das er vor kurzem noch durch ein
geheimes Schutz= und Trutzbündnis mit Preußen hatte bändigen wollen,
schien jetzt wirklich von freien Stücken in die Bahnen der allein wahren
Stabilitätspolitik einzulenken. —
*) Zehn Tage meines Lebens. Erinnerungen von General v. Borstell. (Nordd.
Allg. Ztg. 10. Aug. 1879 ff.)