Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die Kabinettsordre vom 11. Januar 1819. 493 
Schulen verbunden, rein auf die körperliche Abhärtung beschränkt werden. 
Zum Schluß sprach er über die Presse, durchaus maßvoll und ruhig: 
„es ist höchst nachteilig, wenn man den Eifer, die Verbesserung des 
Inneren zu fördern, mit dem Namen der Neuerungssucht belegt und 
solchem eine revolutionäre Tendenz unterzulegen sucht;“ aber angesichts 
so vieler Ausschreitungen der Zeitungen und der Unwahrscheinlichkeit eines 
Bundespreßgesetzes erscheine ein preußisches Preßgesetz unentbehrlich. Über 
alle diese Fragen erwartete der König die Vorschläge der Minister, des- 
gleichen den Entwurf zu einer Bekanntmachung an die Nation; jeder 
einzelne Minister sollte seine Abstimmung schriftlich einreichen. Am näm- 
lichen Tage erhielt Altenstein als Vorsitzender des Staatsrats den Be- 
fehl, die Verhandlungen dieser hohen Behörde, die eben jetzt über die 
neuen Steuergesetze beriet, vor Parteisucht und persönlicher Gehässigkeit 
zu behüten, „damit nicht die Entartung des an sich Guten veranlaßt 
werde.“) 
Es geschah zum ersten Male, daß der König von seinen Ministern 
ein Gutachten über die gesamte innere Lage einforderte; er tat es 
unverkennbar in der guten Absicht, eine gewaltsame Reaktion von seinem 
Volke abzuwenden. Keiner der Ubelstände, welche er rügte, war gänzlich in 
Abrede zu stellen, keines der Heilmittel, die er andeutete, schlechthin zu 
verwerfen. Die so lange schon geplante Reform der veralteten Preß- 
gesetzgebung ließ sich nicht mehr verschieben, die Verbindung der Turn- 
plätze mit den Schulen bot das sicherste und mildeste Mittel, um den 
Ubermut des „Turnstaates“" zu mäßigen; auch eine offene Ansprache 
des Monarchen an seine Beamten konnte mancher Verirrung der nord- 
deutschen Tadelsucht steuern. Wollten die Minister die übertriebene Be- 
sorgnis, welche sich in einzelnen Sätzen der Kabinettsordre allerdings be- 
kundete, wirksam beschwichtigen, so mußten sie der Aufforderung des Königs 
und des Staatskanzlers durch bestimmte, maßvolle, ausführbare Vor- 
schläge sofort entsprechen. Ein rascher Entschluß war um so mehr geboten, 
da einige von ihnen wußten, wie weit die Gedanken der Kabinettsordre 
noch hinter den geheimen Plänen des Wiener Hofes zurückblieben. Aber 
wie sollten sich die erklärten Gegner, Boyen und Schuckmann, Klewitz 
und Bülow schnell über einen wichtigen Beschluß einigen? 
Seit jenem unvollständigen Ministerwechsel im November 1817 hatte 
das kollegialische Zusammenwirken fast ganz aufgehört; da der Staats- 
kanzler wegen seines Gehörleidens von dem Vorsitz im Ministerrate ent- 
bunden war, so pflegte jeder Minister nur die Geschäfte seines Depar- 
tements zu erledigen und nötigenfalls die Entscheidung Hardenbergs 
einzuholen. Auf eine so umfassende Anfrage, wie sie der König jetzt 
stellte, war keiner von ihnen gefaßt. Sehr langsam gingen ihre Gut- 
*) Kabinettsordre an das Staatsministerium, 11.Jan.; an Altenstein, 11.Jan. 1819.
	        
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