Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

496 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse. 
rheinisch-westfälischer Schriftsteller gar zu gröblich über das Wendentum 
der alten Provinzen geschimpft hatte. — 
Gleichzeitig mit dem Erlaß jener Kabinettsordre vom 11. Jan. wurde 
Wilhelm Humboldt in das Ministerium berufen — ein Entschluß, der 
für den Fortgang des Verfassungswerkes das Beste zu versprechen schien. 
Humboldt war im November zum Aachener Kongresse entboten worden, 
um über die bayrisch-badischen Händel, die er als Mitglied der Frank- 
furter Territorialkommission genau kannte, Bericht zu erstatten und dann 
seine Weisungen für den Abschluß des Territorialrezesses zu empfangen. 
Man merkte ihm in Aachen den Unmut über Bernstorffs Ernennung 
deutlich an — denn das Portefeuille des Auswärtigen hätte er sicherlich 
nicht ausgeschlagen, trotz seiner Bedenken gegen Schuckmann und Witt— 
genstein. Er bat dort den König um Enthebung von seinem Londoner 
Posten;“) nach Erledigung der Frankfurter Geschäfte wollte er dann in der 
Stille seines Parkes zu Tegel den Wissenschaften leben und nur noch an 
den Verhandlungen des Staatsrats teilnehmen. Da stellte Witzleben 
dem Monarchen vor, welche unschätzbaren Dienste Humboldts reiche Bil— 
dung und sein Redaktionstalent bei den Verfassungsberatungen leisten 
könne. Der König ging auf den Gedanken ein, und auch Hardenberg 
hielt es für geraten, seinen Nebenbuhler durch eine Stelle im Ministerium 
zu beschwichtigen; er fürchtete und sagte es ihm ins Gesicht, daß Hum— 
boldt im Staatsrate die Führung der Opposition übernehmen würde. 
So beschloß man denn das Ministerium des Innern in zwei Hälften zu 
teilen. Das Polizeiministerium ward aufgehoben und als eine Abtei— 
lung mit Schuckmanns Departement vereinigt; dafür sollte Schuckmann 
die Verwaltung der ständischen und der Kommunalangelegenheiten als 
ein besonderes Ministerium an Humboldt abtreten. Wittgenstein blieb 
Mitglied des Staatsministeriums, verwaltete aber nur noch die Angelegen— 
heiten des königlichen Hauses, so daß er in einer unangreifbaren Stellung 
den weiteren Verlauf der Dinge abwarten und sich jederzeit auf sein un— 
politisches Amt zurückziehen konnte. 
Humboldt sollte, nach der Absicht des Königs, die laufenden Geschäfte 
des Kommunalwesens führen, mit den alten Landtagen über ihr Schulden— 
und Armenwesen verhandeln, endlich bei der Ausarbeitung der Gemeinde-, 
Provinzial= und Landesverfassung im einzelnen hilfreiche Hand leisten. 
Die Feststellung des Entwurfes behielt sich Hardenberg selber vor, nach 
dem Rechte und der Pflicht seines Staatskanzleramts; nachdem er alle 
die Departements, welche er früher unmittelbar verwaltet, an Fachminister 
abgetreten hatte, blieb ihm nur noch die oberste Leitung der gesamten 
Verwaltung, und diese verflüchtigte sich in leeren Schein, sobald auch der 
Entwurf der Verfassung einem Fachminister überlassen wurde. Eine in 
  
*) Humboldts Eingabe an den König, Aachen 13. Nov. 1818.
	        
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