Die Teplitzer Punktation. 555
trugen; sie sprachen sogar von einer Felonie deutscher Fürsten gegen den
Bund, als ob die Souveränität von Napoleons Gnaden bereits vernichtet
und die Majestät des alten Reichs wieder hergestellt wäre. Aber diese
unitarische Politik entsprang nicht der nationalen Gesinnung, sondern dem
österreichischen Partikularismus: nur darum sollte der Deutsche Bund die
Machtbefugnisse einer Staatsgewalt erhalten, damit den Deutschen die
Lust „sich in ein Deutschland zu vereinigen“ für immer verginge, damit
der Seelenschlummer der Völker Osterreichs von der höheren Kultur, den
regeren geistigen Kräften ihrer deutschen Nachbarn ungestört bliebe. Auf das
Bestimmteste, auf wiederholten Befehl seines Monarchen, sprach Metternich
aus, er wolle den Deutschen Bund durch Osterreichs Mitwirkung retten
vder die k. k. Staaten von Deutschland trennen, um Osterreich allein zu
retten; und noch fand sich niemand in der Nation, der das namenlose
Glück dieser Trennung begriffen und den befreienden Ruf erhoben hätte:
los von Osterreich!
Verderblich, undeutsch wie die Ziele dieser Politik waren auch ihre
Mittel. Der Deutsche Bund besaß noch weder ein Bundesheer, noch ein
Bundesgericht, überhaupt keine gemeinsame nationale Institution außer
dem Bundestage; und ein solcher Bund, der die Deutschen nicht einmal
gegen das Ausland zu schützen verstand, sollte jetzt — nach den Worten
der Teplitzer Verabredung — „im reinen Begriffe der Föderation“ be-
fugt sein, das Allerheiligste der Nation Martin Luthers, die freie Be-
wegung der Gedanken durch Verbote und Verfolgungen zu stören. So
sank die deutsche Politik, wie ein treffendes Wort sagt, zur deutschen
Polizei herab; Jahrzehntelang ging fast das gesamte Leben des Bundes-
tags in polizeilichen Notmaßregeln auf. Der natürliche Gegensatz zwischen
der absolutistischen Zentralgewalt und den konstitutionellen Gliederstaaten
verschärfte sich bis zur unversöhnlichen Feindschaft; wer den Glauben an
die politische Freiheit nicht aufgab, sah sich fortan genötigt den Deutschen
Bundestag zu bekämpfen, und so ward die liberale Partei, die doch fast
allein den Gedanken der nationalen Einheit mit Begeisterung ergriffen
hatte, wider Wissen und Willen dem Partikularismus in die Arme ge-
trieben. Auf dem Wiener Kongresse hatten alle Parteien gefühlt, daß man
der Nation einige „Rechte der Deutschheit“, ein von Bundes wegen gewähr-
leistetes bescheidenes Maß politischer Freiheit zugestehen müsse, und nur
weil sich der Dünkel der rheinbündischen Souveränität über dies Minimum
nicht zu einigen vermochte, war die Bundesakte bei einigen allgemein
gehaltenen Versprechungen stehen geblieben. Jetzt ward mit einem Male
alles auf den Kopf gestellt. Nicht ein geringstes, sondern ein höchstes Maß
politischer Rechte festzusetzen sollte dem Bunde obliegen; er sollte der Nation
nicht mehr der Bürge ihrer Freiheit sein, sondern ihr vorschreiben, welche
Grenze die Rechte der Landtage, der Presse, der Universitäten niemals
überschreiten dürften. Und mit welcher unerhörten Frivolität dachte man