Das preußische Preßgesetz. 581
ausarbeiten lassen. Die beiden magnetischen Zauberer Schöll und Koreff,
dieselben nichtigen Gesellen, welche Wittgenstein als Hardenbergs liberale
Verführer zu verdächtigen pflegte, waren ihrem Gönner dabei dienstwillig
zur Hand gegangen;') die im Frühjahr zur Ausarbeitung des Preßgesetzes
berufene Kommission wurde nicht einmal befragt. Das neue Edikt, im
wesentlichen eine Umarbeitung der Wöllnerschen Zensurordnung vom Jahre
1786, ging noch weit über die Karlsbader Vorschriften hinaus und be-
stimmte gleich im Eingang, daß alle Druckschriften ohne Ausnahme, wie
bisher, der Zensur unterliegen sollten; sogar die alte Zensurfreiheit der
Akademie und der Universitäten ward für die fünfjährige Dauer des Edikts
aufgehoben. Einige Gewähr gegen die Willkür bot nur das neu errichtete
Ober-Zensur-Kollegium; aber diese Rekurs-Instanz erlangte unter der
schlaffen Leitung des Legationsrats von Raumer niemals eine kräftige
Wirksamkeit. Unterdessen arbeiteten Ancillon, Nicolovius und Köhler, die
Mitglieder der alten Preßgesetz-Kommission, unverdrossen weiter; sie hielten
an den Grundsätzen ihres mittlerweile verstorbenen Berichterstatters Hage-
meister fest und überreichten am 9. November dem Staatsministerium
einen Entwurf, der, im schärfsten Gegensatze zu dem Zensur-Edikt, die
Preßfreiheit als Regel aussprach, nur für politische Zeitschriften die Zensur
vorbehielt.“) Das wohlgemeinte Werk blieb nunmehr unbeachtet liegen,
ein redendes Zeugnis für den plötzlichen Umschwung der Hardenbergischen
Politik. Bedeutsamer war die Haltung Ancillons, der es über sich gewann,
gleichzeitig dies liberale Preßgesetz auszuarbeiten und der Diplomatie
die strenge Vollziehung der Karlsbader Beschlüsse einzuschärfen. Auch
über die Disziplin der Universitäten ergingen einige scharfe Verordnungen,
denen Altensteins Wohlwollen zum Glück durch milde Auslegung die
Spitze abbrach.
Seit den Verhaftungen des Juli hatten Kamptzs Werkzeuge im ganzen
Bereiche des Staates nur noch zwei namhafte Demagogen aufspüren können.
Jener unbegreifliche Brief von de Wette an Sands Mutter wurde bekannt
und dem Könige vorgelegt. Sobald der Tatbestand erwiesen war, ver-
fügte Friedrich Wilhelm, unbeirrt durch die Bitten der Berliner Univer-
sität, die Absetzung des Theologen; „es würde“, ließ er dem Entlassenen
schreiben, „Sr. Majestät Gewissen verletzen, wenn Sie einem Manne, der
den Meuchelmord unter Bedingungen und Voraussetzungen für gerecht-
fertigt hält, den Unterricht der Jugend ferner anvertrauen wollten". De
Wette ertrug die harte, aber gerechte Strafe mit einer christlichen Ergebung,
die nur von neuem bewies, wie wenig revolutionäre Kraft in dem theore-
tischen Radikalismus dieser Gelehrtenkreise lag; in dem Augenblicke, da
*) Hardenbergs Tagebuch, 4. Okt. 1819.
**) Veröffentlicht von F. Kapp, die preuß. Preßgesetzgebung un er Fr. Wilhelm III.
(Archiv f. Gesch, d. d. Buchhandels VI. 185).