Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Görres. Bayerns Vorbehalt. 583 
reich auszuhalten! Es war im Plane, dort an der Grenze eine freie 
deutsche Zeitung zu gründen, jedoch die hilflose Armut der Flüchtlinge 
und ein strenges von Berlin ausgehendes Verbot aller im Auslande er— 
scheinenden deutschen Zeitschriften vereitelten die Absicht. Die Zentral- 
Untersuchungskommission erstattete dem Bundestage sofort Bericht über die 
gefährlichen Straßburger Umtriebe, und beide Großmächte forderten den 
Karlsruher Nachbarhof zu scharfer Wachsamkeit auf. Mit Feuereifer ent- 
ledigte sich Minister Berstett seines Auftrags; er trat mit dem legiti- 
mistischen Maire von Straßburg in Verbindung, ließ auch de Wette, der 
soeben nach Heidelberg kam, polizeilich überwachen, beteuerte mit unter- 
tänigster Begeisterung, Baden betrachte sich als den Vorposten Deutsch- 
lands und setze seine Ehre darein, das Vaterland vor den schwarzen 
Anschlägen „unserer teutonischen Jakobiner auf dem linken Rheinufer zu 
behüten“) — 
Nur zwei deutsche Staaten, Bayern und Württemberg versuchten eine 
schwächliche Opposition gegen die Bundesgesetze; aber da beide Regierungen 
allem was geschehen schon unbedingt zugestimmt hatten, so waren ihre 
nachträglichen Widerstandsversuche von Haus aus unredlich, kleinlich, aus- 
sichtslos. In München offenbarte sich wieder jene schimpfliche Schwäche, 
welche diesen Hof seit Montgelas' Fall auszeichnete. Graf Rechberg wurde, 
als er aus Böhmen heimkehrte, von seinen Amtsgenossen Lerchenfeld und 
Reigersberg mit Vorwürfen überhäuft. Jener befürchtete den Untergang 
der politischen Freiheit und hatte bereits in einem leidenschaftlichen Briefe 
an seinen Freund Wangenheim seinen liberalen Unwillen über die Karls- 
bader Beschlüsse ausgesprochen;?*) dieser zitterte für Bayerns europäische 
Machtstellung und meinte stolz, Bayern sei sich selbst genug, könne des 
Bundes entraten. Auch Montgelas half in der Stille nach; der alte 
Gegner Osterreichs hoffte jetzt wieder aus Ruder zu kommen. Als die 
Karlsbader Beschlüsse dem Ministerrate vorgelegt wurden, beschuldigten 
Lerchenfeld und Reigersberg den Minister des Auswärtigen, daß er seine 
Instruktionen überschritten habe. Und allerdings war die bayrische Kon- 
stitution die einzige unter den neuen Verfassungen, welche die Rechtsver- 
bindlichkeit der Bundesgesetze nicht förmlich aussprach. 
König Max Joseph aber war, soweit er einen Entschluß zu fassen 
vermochte, durchaus erfüllt von der Furcht vor den Demagogen, obgleich 
ihn sein Kronprinz in einem herzlichen Briefe beschwor, von der Ver- 
fassung nicht abzuweichen. Argerlich über den Zwiespalt seiner Räte 
hatte er dem Ministerrate nicht selber beiwohnen wollen und statt seiner 
den getreuen Wrede entsendet. Der legte, sobald Rechberg angegriffen 
  
*) Berstett an Metternich, 2., 22. Ort., an Schuckmann, 26. Nov.; Metternich an 
Berstett, 30. Okt.; Schuckmann an Berstett, 1. Nov. 1819. 
*.) Abgedruckt bei F. v. Weech, Korrespondenzen und Aktenstücke zur Geschichte 
der Ministerkonferenzen von Karlsbad und Wien. S. 16.
	        
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