A. v. Humboldt. 81
statten. Wenn er als ein schmiegsamer Hofmann jedem nach dem Munde
redete und jeden ohne Unterschied mit einem Schwalle schmeichlerischen
Lobes überschüttete, so warb er dadurch immer neue Gönner und Ge—
hilfen für die Sache der universalen Bildung, welche doch nur durch die
Arbeit aller gedeihen konnte; wenn er seinen eigenen Weltruhm mit un—
verhohlener Eitelkeit genoß und förderte, so diente ihm sein glänzender
Name zugleich als ein Mittel um die Großen der Erde auf den Wert
der unzähligen wissenschaftlichen Unternehmungen, die er mit warmem
Fürwort unterstützte, ausdrücklich hinzuweisen. Wo es not tat trat er
für die bedrohte Freiheit der Forschung weit mutiger ein als vormals
Leibniz, und während die weite Welt ihm ihre Huldigungen darbrachte,
blieb er in seinem Herzen doch ein Deutscher: er kannte wie niemand
sonst die Gebrechen unserer jungen Gesittung, unserer Armut und Klein—
meisterei und beobachtete mit stiller Freude, wie die Deutschen Schritt für
Schritt an die alte Kultur der Nachbarvölker näher heranrückten.
Gleich allen großen Reisenden hatte er schon im Kindesalter sich
hinausgesehnt in die ungemessene Ferne; wenn er im Palmenhause der
Potsdamer Pfaueninsel zu den zierlichen Blätterfächern emporschaute, dann
stieg die Wunderwelt der Tropen lockend und glänzend vor seinem Geiste
auf. Was der Knabe geträumt, ging dem Manne herrlich in Erfüllung.
Während fünf reicher Jahre durchwanderte er mit seinem treuen Bon-
pland das Innere Süd= und Mittelamerikas; die Freunde bestiegen den
Chimborazo, weilten viele Monate, von der Welt abgeschieden, in den nie
betretenen Urwäldern am Orinoco. Als Humboldt zurückkehrte, war er
der einzige deutsche Mann, der sich in jenen napoleonischen Tagen die
ungeteilte Bewunderung des Auslandes errang. Sein Ruhm hielt die
Ehre des deutschen Namens selbst unter den französischen Siegern auf-
recht; für Bonpland wußten seine Landsleute kein höheres Lob, als daß
er der Mitarbeiter des deutschen Forschers gewesen. Humboldt siedelte
sich nun in Paris an; hier bot ihm der Umgang mit Laplace, Arago,
Cuvier, Gay-Lussac einen fruchtbaren Gedankenaustausch, wie ihn ein
Naturforscher in Deutschland noch nirgends finden konnte. Alles drängte
sich um den bezaubernden Causeur, sobald er nach arbeitsreichem Tage
abends in den Salons erschien und durch geistvolle Bemerkungen, Reise-
erinnerungen, Tagesneuigkeiten und boshafte Scherze bis in die tiefe
Nacht hinein die Gesellschaft in Atem hielt.
Sein Ansehen stieg noch, als der Verkehr zwischen den beiden Nachbar-
völkern nach dem Kriege wieder lebendiger wurde; seitdem galt er bei den
Parisern als der natürliche Vertreter der deutschen Wissenschaft, alle Lands-
leute an der Seine suchten seinen Schutz, und sein Wort wog oft schwerer
als die Fürsprache der Diplomaten. In neunundzwanzig großen Bänden
teilte er der Welt nach und nach die Ergebnisse seiner amerikanischen
Fahrten mit. Sein Reisebericht war das unübertroffene Muster streng
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 6