Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

92 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. 
sorgnisse wegen entstehender Unzufriedenheit durch die neuen Lasten äußert. 
Ich fordere Den auf, der es vermag, noch fünf Millionen Ersparnisse zu 
bewirken, aufzutreten und sie nachzuweisen, ohne den Staat in die größten 
Gefahren der Zerrüttung zu versetzen. An einer solchen Administration, 
wie die wäre, welcher jene Maximen zu Grunde lägen, möchte ich nicht 
theilnehmen, ich würde eilen mich davon loszumachen.“ Als Ancillon in 
der Schlußsitzung am 29. seinen Antrag erneuerte, erklärte Altenstein noch- 
mals, daß er keine Berathung zulassen dürfe, und stellte jedem Mitgliede 
frei, seine Wünsche dem Könige in einer Beilage zum Protocolle vor- 
zutragen. Um seinen Worten Nachdruck zu geben verlas er alsdann das 
Schreiben des Staatskanzlers. 
Da brauste der Kronprinz in hellem Zorne auf: „sagen Sie dem 
Staatskanzler“, rief er dem Vorsitzenden zu, „in der so hart angegriffenen 
Versammlung säßen die königlichen Prinzen!“ Hardenberg erwiderte dem 
Prinzen brieflich (3. Mai) in jenem herzgewinnenden Tone, der ihm so 
wohl anstand; seine Vorwürfe gegen den Staatsrath hielt er aufrecht, doch 
zugleich erklärte er sich bereit zu jeder Aufklärung über den Etat, auch zu 
jeder Ersparniß, wenn man ihm nur ausführbare, mit Zahlen belegte 
Vorschläge einreiche. Der reizbare junge Fürst war rasch versöhnt, wieder- 
holte aber in seiner freundlichen Antwort nachdrücklich die Bitte um noch- 
malige Prüfung des Etats: „Wir leben, so dachte ich, nicht in Zeiten, 
denen man Alles bieten kann, und 5 Mill. neuer Abgaben schien 
und scheint mir noch jetzt sehr bedenklich. Ich bezwecke nur ein vor- 
theilhaftes Einwirken auf die öffentliche Meinung, die dessen sehr be- 
darf. Eine nochmalige Prüfung nun führt entweder wirklich Er- 
sparnisse herbei oder beweist doch dem Volk im schlimmsten Fall, daß 
Alles geschehen.“ Der Staatskanzler fühlte nun doch, daß er den Bogen 
nicht überspannen dürfe, obwohl die neue Verzögerung den Staatskassen 
schwere Einbußen bringen mußte; er wollte den Prinzen die Gelegenheit, 
sich über den Ungrund ihrer Bedenken zu belehren, nicht abschneiden und 
versprach, dem Könige den Wunsch des Kronprinzen vorzutragen, „so 
vollständig auch diese Prüfung mehrmals geschehen ist.“) 
Mittlerweile hatte der Staatsrath seine Berathungen beendigt. Elf 
Mitglieder baten in Sonderabstimmungen um nochmalige Prüfung des 
Budgets: die königlichen Prinzen mit Ausnahme des Thronfolgers, der 
jetzt durch Hardenberg's Zusage beschwichtigt war, sodann Vincke, endlich 
Ancillon und seine fünf hochconservativen Genossen. Wittgenstein's Votum 
erging sich in so allgemeinen Ausdrücken, daß Jedermann bemerken mußte, 
wie wenig dem Hofmanne an diesen Steuerfragen selber lag. Ancillon 
schilderte beweglich die Nachtheile der Klassensteuer, ohne irgend anzugeben, 
  
*) Hardenberg an den Kronprinzen, 3., 5. Mai; Antwort des Kronprinzen, 4. Mai; 
Hardenberg's Tagebuch, 29. April ff. 1820.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.