92 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's.
sorgnisse wegen entstehender Unzufriedenheit durch die neuen Lasten äußert.
Ich fordere Den auf, der es vermag, noch fünf Millionen Ersparnisse zu
bewirken, aufzutreten und sie nachzuweisen, ohne den Staat in die größten
Gefahren der Zerrüttung zu versetzen. An einer solchen Administration,
wie die wäre, welcher jene Maximen zu Grunde lägen, möchte ich nicht
theilnehmen, ich würde eilen mich davon loszumachen.“ Als Ancillon in
der Schlußsitzung am 29. seinen Antrag erneuerte, erklärte Altenstein noch-
mals, daß er keine Berathung zulassen dürfe, und stellte jedem Mitgliede
frei, seine Wünsche dem Könige in einer Beilage zum Protocolle vor-
zutragen. Um seinen Worten Nachdruck zu geben verlas er alsdann das
Schreiben des Staatskanzlers.
Da brauste der Kronprinz in hellem Zorne auf: „sagen Sie dem
Staatskanzler“, rief er dem Vorsitzenden zu, „in der so hart angegriffenen
Versammlung säßen die königlichen Prinzen!“ Hardenberg erwiderte dem
Prinzen brieflich (3. Mai) in jenem herzgewinnenden Tone, der ihm so
wohl anstand; seine Vorwürfe gegen den Staatsrath hielt er aufrecht, doch
zugleich erklärte er sich bereit zu jeder Aufklärung über den Etat, auch zu
jeder Ersparniß, wenn man ihm nur ausführbare, mit Zahlen belegte
Vorschläge einreiche. Der reizbare junge Fürst war rasch versöhnt, wieder-
holte aber in seiner freundlichen Antwort nachdrücklich die Bitte um noch-
malige Prüfung des Etats: „Wir leben, so dachte ich, nicht in Zeiten,
denen man Alles bieten kann, und 5 Mill. neuer Abgaben schien
und scheint mir noch jetzt sehr bedenklich. Ich bezwecke nur ein vor-
theilhaftes Einwirken auf die öffentliche Meinung, die dessen sehr be-
darf. Eine nochmalige Prüfung nun führt entweder wirklich Er-
sparnisse herbei oder beweist doch dem Volk im schlimmsten Fall, daß
Alles geschehen.“ Der Staatskanzler fühlte nun doch, daß er den Bogen
nicht überspannen dürfe, obwohl die neue Verzögerung den Staatskassen
schwere Einbußen bringen mußte; er wollte den Prinzen die Gelegenheit,
sich über den Ungrund ihrer Bedenken zu belehren, nicht abschneiden und
versprach, dem Könige den Wunsch des Kronprinzen vorzutragen, „so
vollständig auch diese Prüfung mehrmals geschehen ist.“)
Mittlerweile hatte der Staatsrath seine Berathungen beendigt. Elf
Mitglieder baten in Sonderabstimmungen um nochmalige Prüfung des
Budgets: die königlichen Prinzen mit Ausnahme des Thronfolgers, der
jetzt durch Hardenberg's Zusage beschwichtigt war, sodann Vincke, endlich
Ancillon und seine fünf hochconservativen Genossen. Wittgenstein's Votum
erging sich in so allgemeinen Ausdrücken, daß Jedermann bemerken mußte,
wie wenig dem Hofmanne an diesen Steuerfragen selber lag. Ancillon
schilderte beweglich die Nachtheile der Klassensteuer, ohne irgend anzugeben,
*) Hardenberg an den Kronprinzen, 3., 5. Mai; Antwort des Kronprinzen, 4. Mai;
Hardenberg's Tagebuch, 29. April ff. 1820.