100 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's.
schleunige Ausarbeitung der Communalordnung erinnert hatte, befahl er
am 12. Februar die Bildung einer besonderen Commission, welche die
gesammte erste Hälfte des Hardenbergischen Verfassungsplanes, Gemeinde—
und Kreisordnung, binnen vier Wochen ins Reine bringen und sodann
ihre Arbeit „wegen des innigen Zusammenhanges mit der allgemeinen
ständischen Verfassung“ dem Ausschusse für die ständischen Angelegenheiten
vorlegen sollte. Die Commission bestand durchweg aus trefflichen Beamten:
Friese führte den Vorsitz, zu Mitgliedern wurden Daniels, Eichhorn,
Bernuth, Streckuß, nachher auch Köhler und Vincke berufen.) Aber
ihr Werk mißrieth, und dies Mißlingen ward verhängnißvoll: sobald der
Unterbau der Verfassung sich als morsch erwies, stürzte das ganze Gebäude.
An die feudale Verwaltung des flachen Landes war selbst der reformatorische
Wille der großen Könige des achtzehnten Jahrhunderts immer nur behutsam
herangetreten; hier in den breiten Niederungen des Staats hatte die
unzähmbare Lust der Deutschen an örtlichem Sonderbrauche von jeher
freies Spiel, hier lag das letzte und stärkste Bollwerk der altständischen
Macht, hier herrschte noch ungebrochen ein uraltes Herkommen, und es
war kein Zufall, daß an der zähen Kraft dieses örtlichen Kleinlebens, das
dem alten absoluten Königthum so lange getrotzt hatte, auch der erste
Versuch constitutioneller Reformpolitik zerschellte. —
Noch einmal mußte Preußen die verderblichen Folgen von Stein's
frühem Sturze schwer empfinden. Der große Reformer hatte, als er fiel,
den Entwurf einer Landgemeindeordnung fast vollendet hinterlassen. Wäre
dies Werk damals ins Leben getreten, was nur Stein's eisernem Willen
gelingen konnte, so hätte die Gesetzgebung jetzt das Communalleben der
alten Provinzen in leidlicher Ordnung und damit einen festen Anhalt für
weitere Reformen vorgefunden. Wie nun die Dinge lagen stand die Com-
mission rathlos einer unübersehbaren Mannigfaltigkeit örtlicher Sonder-
rechte und Sonderbräuche, einem schlechthin chaotischen Zustande gegen-
über. In den östlichen Provinzen bestanden etwa 25,000 Landgemeinden
und 15,000 Rittergutsbezirke. Unter dieser ungeheuren Zahl befanden
sich zwar manche starkbevölkerte, halbstädtische Ortschaften, wie Langen-
bielau und die anderen gewerbreichen Dörfer, die sich stundenweit in den
Thälern des Riesengebirges hinaufzogen; doch die große Mehrzahl der
Landgemeinden des Nordostens war über die einfachen Zustände der ersten
Zeiten deutscher Ansiedelung noch kaum hinausgekommen. Das kleine,
um den Herrenhof planmäßig angesiedelte Kolonistendorf bildete noch immer
die Regel; Gemeinden von hundert, ja fünfzig Köpfen waren nicht selten,
eine Ortschaft von vierhundert Einwohnern galt schon für ein großes
Dorf. Dies Kleingemeindethum hatte den Bedürfnissen des Landvolks
genügt, so lange die Landgemeinde wesentlich den wirthschaftlichen Zweck
*) Cabinetsordre vom 12. Febr. 1820.