118 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's.
eine zweite Kammer für die drei Stände, gegliedert in drei Bänke, die
für sich berathen und nur bei den Hauptabstimmungen sich vereinigen.
Um die Bedenken der Altständischen zu beschwichtigen, schlug er ferner
vor, daß sich die Provinziallandtage so nahe als möglich an die alten
Territorien anschließen sollten. „Mit administrativen Gegenständen —
so schloß er — würde die allgemeine ständische Versammlung gar nichts
zu thun haben, sondern sich bloß mit allgemeinen, ihr von Ew. K. Maj.
zugesandten Gesetzen und Sachen beschäftigen. Ihr von Höchstdenselben
ernannter Präsident hätte in allen Dingen die Initiative. Die Ver—
sammlung wäre nicht öffentlich, nur die Resultate würden öffentlich bekannt
gemacht. Rein militärische Angelegenheiten, Polizei und auswärtige An—
gelegenheiten gehören nicht für sie. Die königlichen Minister und Staats—
beamten könnten bloß vor dem Throne Ew. K. Maj. angeklagt und zur
Verantwortung gezogen werden. So dürfte eine allgemeine reichsständische
Versammlung wohl Nutzen, aber auf keinen Fall Nachtheil bringen.“
Eine Antwort auf dies Schreiben erfolgte vorläufig nicht, Friedrich Wil—
helm stand mit seinem Kanzler kaum noch im Verkehr. —
Je schweigsamer der König sich abschloß, um so stärker verspürte
Hardenberg den Einfluß des jungen Kronprinzen, der jetzt zum ersten
male in die Geschicke des Staates einzugreifen begann. Der natürliche,
in kräftigen Herrscherhäusern immer wiederkehrende Gegensatz von Fürst
und Thronfolger bewahrt die beharrende Macht der dynastischen Ueber-
lieferung vor geistloser Erstarrung; ihm dankt die Monarchie die Kraft
der Verjüngung. Auf den Höhen des Lebens ist kein Amt so freudlos, so
von Versuchungen bedroht, wie die Stellung des Kronprinzen in einem
mächtigen Staate; nirgends wird der Geist des Widerspruchs stärker gereizt,
nirgends der nothwendige Unterschied der Generationen, die einander nie-
mals ganz verstehen können, schmerzlicher empfunden. Im Hause der
Hohenzollern war seit den Tagen Georg Wilhelms und des großen Kur-
fürsten noch nie ein Thronfolger mit dem Herrscher ganz eines Sinnes
gewesen; und wie weit erschien jetzt wieder der Abstand zwischen alter und
neuer Zeit: dort der unscheinbare nüchterne König, der trotz seiner innigen
Frömmigkeit doch mit seiner ganzen Weltanschauung in der Verstandes-
aufklärung des alten Jahrhunderts wurzelte, hier sprühend von Geist und
Witz der enthusiastische Jünger der Romantik.
Unter den ritterlichen Königssöhnen, deren „Lebensfülle, Muth und
Hoheit“ der junge Heinrich Heine in seinen Berliner Briefen nicht genug
bewundern konnte, schien dieser älteste doch den Preis zu verdienen. Alle
Welt nannte ihn den geistreichsten Prinzen Europas, und sein Lehrer
Niebuhr hoffte, mit ihm werde eine schönere Zeit über Deutschland kommen
und die Vollendung alles dessen, was heute noch unfertig und unvoll-
kommen sei. Blendend, unwiderstehlich erschien er in der Unterhaltung,
zumal in diesen Jugendtagen, da er noch unverbittert, dankbar und