Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die Cortes-Verfassung von 1812. 137 
Parteiname der Liberalen in alle Cultursprachen überging, so fanden sich 
auch überall in der Welt gläubige Bewunderer, welche in dem heiligen 
Codex der Spanier das allgemeingiltige constitutionelle Vernunftrecht ent— 
deckten, obgleich keine andere Verfassung jener Zeit so unverkennbar den 
Stempel eines ganz eigenartigen Ursprungs trug. Mitten im Sturme 
des Krieges, ohne jede Mitwirkung des landflüchtigen Königs, und doch 
beständig in Angst vor der Heimtücke des rückkehrenden Bourbonen, hatten 
einst die Cortes von Cadiz im Namen des souveränen Volks dies neue 
Grundgesetz berathen und Alles darin angesammelt was jenem aufgeregten, 
unerfahrenen Geschlechte groß und ehrwürdig erschien: die radicalen Sätze 
der neufranzösischen Doktrin und allerhand unklare Erinnerungen aus 
den altständischen Fueros des spanischen Mittelalters. Nur diese ver— 
wickelten, dem Ausländer kaum verständlichen Verhältnisse erklärten das 
Räthsel, wie die königstreuen Spanier dahin gelangt waren ihr altes 
Königthum so arg zu verstümmeln. Die Souveränität stand den Cortes 
zu, die ohne Zuthun der Krone aller zwei Jahre neu gewählt wurden und 
niemals aufgelöst werden konnten; vertagten sie sich, so ließen sie einen 
Ausschuß zur Beaufsichtigung der Krone zurück; sobald sie einen Beschluß 
zum dritten male wiederholten, durfte der König nicht mehr widersprechen, 
und sogar das Recht, unfähige oder unwürdige Personen von der Thron— 
folge auszuschließen blieb den Cortes allein vorbehalten. Die Vertreter 
des souveränen Volks besaßen in der That alle Rechte eines Convents; 
ihre Allgewalt war nur beschränkt durch die naive Vorschrift: „Das 
spanische Volk ist verpflichtet die Freiheit mittels weiser und gerechter 
Gesetze zu erhalten und zu beschützen.“ 
Daß Spanien unter einer solchen Verfassung, mit einem nichts— 
würdigen König, einer fanatischen Clerisei und einem eidbrüchigen Heere, 
endlosen Wirren entgegentrieb, konnte den Staatsmännern der großen 
Mächte nicht entgehen. Besonders gefährlich erschien den Cabinetten die 
Macht der zahlreichen geheimen Vereine, die bei dieser Revolution un- 
verkennbar mitgewirkt hatten. In seinen germanisch-protestantischen Heimath- 
landen war der Freimaurerorden von seinen humanen Zwecken niemals 
abgewichen und stets ein freier Bund verbrüderter Vereine geblieben, weil 
er von der Staatsgewalt geduldet, in Preußen und einigen der deutschen 
Kleinstaaten sogar begünstigt wurde. Die deutschen Logen standen allen 
politischen Parteikämpfen fern, obwohl sie natürlich einzelne Radicale zu 
ihren Mitgliedern zählten und zuweilen wohl auch ein gewissenloser Aben- 
teurer, wie Wit v. Dörring seine Kenntniß der maurerischen Symbole 
mißbrauchte um Zutritt zu den Geheimbünden des Auslandes zu erlangen. 
In der katholischen Welt dagegen war der Orden, seit Papst Clemens XII. 
ihn verdammt hatte, oft von kirchlicher und politischer Verfolgung heim- 
gesucht und dadurch, seinem ursprünglichen Charakter zuwider, in die 
Reihen der Opposition gedrängt worden. Die hierarchische, in Staat und
	        
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