162 III. 3. Troppau und Laibach.
erscheinen als sie im Grunde war. Um dem Cezaren seine Ergebenheit
zu beweisen, ging Metternich alsbald auf jenen alten Lieblingsplan der
Petersburger Politik ein, welchen die russischen Staatsmänner schon in
Aachen und dann noch oftmals den verbündeten Mächten empfohlen hatten:
er erbot sich zur Unterzeichnung eines europäischen Garantie-Vertrages,
kraft dessen alle Souveräne einander wechselseitig ihren Besitzstand gegen
jede gewaltsame Störung von innen wie von außen verbürgen und also
der traumhafte Heilige Bund endlich einen greifbaren Inhalt erhalten
sollte.)) Aber der nüchterne Oesterreicher wollte vorher die praktische Frage
des Augenblicks, die Intervention in Neapel, entschieden sehen, während
der phantasiereiche Czar zuerst den Ausbau seiner Heiligen Allianz zu
vollenden und dann erst diese neuen Grundsätze des Völkerrechts auf
Italien anzuwenden dachte.
In der ersten Conferenz verlas Metternich mehrere Briefe, in denen
König Ferdinand von Neapel mit grellen Farben seine Nothlage schilderte
und sich feierlich gegen den ihm angethanen Zwang verwahrte; derselbe
Fürst, der soeben die neue Verfassung beschworen und dabei den Bilitz
des Himmels auf sich herabgerufen, erklärte jetzt, daß er mit dem Messer
an der Kehle sein Parlament habe eröffnen müssen. Eine so schamlose
Zweizüngigkeit erregte selbst bei diesen voreingenommenen Hörern allgemeinen
Unwillen, und die Conferenz beschloß, die Briefe aus dem Journal hinweg-
zulassen „um den unglücklichen König nicht noch mehr zu compromittiren“.
Daran schloß sich die Verlesung einer langen österreichischen Denkschrift,
die sich auf den geheimen Wiener Vertrag von 1815 berief. Metternich's
Absicht war, mit Zustimmung der verbündeten Mächte dem Könige,
der seine Unfreiheit soeben eingestanden, zu Hilfe zu kommen, Neapel
alsbald zu besetzen und dann den Bourbonen unter dem Schutze öster-
reichischer Waffen die Ordnung herstellen zu lassen. Was galt es ihm
auch, daß der neapolitanische Minister Herzog von Campo-Chiaro schon
vor vier Wochen dem k. k. Geschäftsträger v. Menz versichert hatte, seine
Regierung werde sich freuen, die Frechheit der radicalen Sekten durch
die Großmächte gezähmt zu sehen? In Metternich's Augen war diese
muratistisch-constitutionelle Sekte, die im Cabinet zu Neapel saß, um nichts
besser als die Carbonari.““) Der Eindruck seiner Eröffnungen war sehr
peinlich. Nur die Preußen stimmten dem Oesterreicher zu. Die übrigen
Bevollmächtigten beobachteten ein verlegenes Stillschweigen; denn der
geheime Wiener Vertrag war bisher dem französischen, wahrscheinlich auch
dem russischen Hofe ganz unbekannt geblieben, und indem die Hofburg
sich darauf berief, gab sie unzweideutig zu verstehen, daß sie Neapel
als ihr Vasallenland ansah, daß sie dort nicht eine gemäßigte Regierung,
7) Bernstorff's Bericht, 21. Okt. 1820; Vgl. o. II. 474.
**) Oesterreichische Denkschrift, 23. Okt.; Bericht des k. k. Geschäftsträgers v. Menz,
Neapel 28. Sept. 1820.