186 III. 3. Troppau und Laibach.
Castlereagh die Empfindungen seines Herzens nicht mehr zurückhalten.
Er sendete dem Wiener Freunde seinen Glückwunsch und sprach zugleich
die Hoffnung aus: man werde die Besetzung des unterworfenen Landes
doch nicht französischen Truppen anvertrauen. Wie jubelte Metternich
über diese Aeußerung politischer Unschuld; der Czar aber fragte lächelnd:
wofür halten uns eigentlich diese Leute??) —
Indessen hatte das Schicksal dem österreichischen Staatsmanne bereits
einen bitteren Tropfen in den Becher seiner Freuden gegossen. Der
doktrinäre Gedanke des unwandelbaren großen europäischen Bundes wider-
sprach so offenbar der Mannigfaltigkeit entgegengesetzter Interessen und
ungelöster Fragen, welche das europäische Leben umschloß, daß jede große
Wendung der Völkergeschichte ihn nothwendig stören mußte. Noch während
des Laibacher Congresses brach eine fünfte Revolution aus, die anfangs
am wenigsten beachtet, zuletzt der großen Allianz am verderblichsten werden
sollte. Die gräcoslawische Welt begann zu erwachen, die schwerste aller
europäischen Fragen, die orientalische, gerieth wieder in Fluß. Seit hundert
Jahren schon bestand das Reich der Osmanen auf abendländischem Boden
nur noch durch die wechselseitige Eifersucht der europäischen Mächte, nicht
mehr durch eigene Kraft. Eine im Schlaf erstarrte Völkerwanderung
hatte sich wie eine ungeheure Schuttlawine, alle Cultur begrabend, über
jene gesegneten Lande des Südostens gelagert, wo einst die Christenheit
ihr zweites Rom und der Handel zweier Welttheile seinen Mittelpunkt
gehabt. Was in dieser Trümmerwelt noch lebte, arbeitete, um die Güter
der Gesittung rang, war christlich; das Herrenvolk, das den Rajah mit
dem sicheren Griffe orientalischer Herrscherkunst das Halsband der Unter-
thänigkeit fest um den Nacken gelegt hatte, blieb im Glanze seines er-
beuteten Reichthums unwandelbar eine orientalische Reiterhorde, die niemals
heimisch ward in Europa und über die Weltanschauung des kriegerischen
Nomadenthums nie hinausgelangte. Unausbleiblich mußte sich dereinst
an den Türken, wie vormals an der polnischen Adelsrepublik, das historische
Gesetz erfüllen, das in diesem Jahrhundert der bürgerlichen Arbeit kein
Volk von Rittern und Müßiggängern mehr duldet.
Niemals hatten die Rajah-Völker sich ausgesöhnt mit ihren mitleidlosen
Herren, niemals aufgehört die Rache Gottes herabzurufen für jenen Tag
der Schmach, da der Eroberer in die Hagia Sophia einritt und die Hufe
seines Rosses das schönste Gotteshaus der morgenländischen Christenheit
schändeten. Mitten im Schmutz und Elend ihrer Knechtschaft geboten sie
noch über jene unverwüstliche Kraft der Verjüngung und Selbsterneuerung,
welche das Christenthum überall von der geistlosen Erstarrung des Islam
unterscheidet. Als nun die weltbürgerliche Heilslehre der französischen
Revolution und mit ihr zugleich die nationalen Freiheitsgedanken der
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*) Krusemark's Bericht, 19. April 1820.