Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die Tübinger Schule. Möhler. Westenrieder. 209 
eigene Zeitschriften, den Apologeten des Katholicismus, zur Abfertigung aller 
Ketzerei. 
Auf dem Boden der Wissenschaft konnte die römische Kirche dem 
deutschen Protestantismus freilich nie gefährlich werden, weil sie die 
voraussetzungslose Forschung nicht zu ertragen vermochte. Um so wirk- 
samer bewährte sie ihre alte Kunst der Menschenbeherrschung in einer 
emsigen socialen und politischen Thätigkeit. Aus vielen Anzeichen ließ sich 
bereits die unterirdische Arbeit des wiederhergestellten Jesuitenordens er- 
kennen, und die Zukunft versprach ihm noch reichere Erfolge; denn schon 
war das Collegium Germanicum von Neuem eröffnet, und die deutschen 
Jesuitenzöglinge, die gamberi cotti, wandelten wieder, wie einst vor den 
Tagen Ganganelli's, in ihren rothen Talaren sittsam zu drei und drei 
durch die Straßen der ewigen Stadt. In Oesterreich wurden bereits 
einzelne Jesnuiten unter dem harmlosen Namen der Redemtoristen zugelassen. 
Kaiser Franz, der seine Kirchenhoheit mit mißtrauischer Härte, fast so streng 
wie sein Oheim Joseph II. handhabte, zeigte sich neuerdings seit einer 
römischen Reise etwas nachsichtiger gegen die clericalen Bestrebungen; 
damals hatte ihm der Papst eine Denkschrift voll beweglicher Klagen über 
den verwahrlosten Zustand der österreichischen Kirche überreicht. 
Die Milden und Versöhnlichen unter dem deutschen Clerus bemerkten 
noch kaum, was dies Wiedererwachen der streitbaren Mächte der Gegen- 
reformation für den confessionellen Frieden unseres paritätischen Volkes 
bedeutete. Wohl erhoben Salat in Landshut und einige andere bairische 
Geistliche ihre warnende Stimme gegen die Jesuiten; ihre Streitschriften 
wurden wenig beachtet, weil sie in Form und Inhalt noch den Geist des 
alten Illuminatenthums, das sich bereits überlebt hatte, verriethen. Selbst 
der von den Clericalen so oft verleumdete Sailer, dem der Papst eben jetzt 
die Bestätigung für den Augsburger Bischofsstuhl verweigerte, sah in der 
Wiederherstellung der Gesellschaft Jesu nur die Sühne alten Unrechts; auch 
viele andere keineswegs ultramontan gesinnte Priester fühlten sich durch 
die Gräuel der Revolution noch tief erschüttert und hießen die Jesuiten 
als Bundesgenossen wider den Unglauben willkommen. Es war ein Zeichen 
der Zeit, daß der gute alte Lorenz Westenrieder, der treufleißige, um die 
Geschichte Baierns wohlverdiente Sammler, der in seinen jungen Jahren 
durch freisinnige Grundsätze zuweilen das Mißfallen der geistlichen Oberen 
erregt hatte, jetzt in seinem Historischen Kalender als Lobredner des 
Jesuitismus auftrat. Gegen die Nationalkrankheit der Revolution, so 
führte er aus, hilft nur eine große Nationalanstalt; unsterblicher Ruhm 
gebührt also unserem heiligen Vater, weil er durch die Herstellung des 
Jesuitenordens das sicherste Mittel gefunden hat „der Religion und den 
Sitten wieder aufzuhelfen, die Sicherheit der Fürsten zu befestigen und 
die Völker zu beruhigen“. 
Mit bewunderungswürdiger Gewandtheit bemächtigte sich die clericale 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. 11I. 14
	        
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