Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

216 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes. 
nahme des Clerus an den Bibelgesellschaften wurde von den Oberen 
verboten, und bei der Einsegnung gemischter Ehen stellten die Priester 
häufig gesetzwidrige Bedingungen, so daß der König sich genöthigt sah, 
in einer scharfen Cabinetsordre vom 6. April 1819 zu erklären, er werde 
„solche unwürdige Geistliche augenblicklich fortschaffen“. Der Oberpräsident 
Solms-Laubach, allerdings ein strammer, gegen jede Regung kirchlicher 
Selbständigkeit mißtrauischer Josephiner, mußte unablässig den kleinen 
Krieg führen wider den Aachener Generalvicar Fonck, der geflissentlich dem 
neuen Unterrichtswesen Hindernisse bereitete und es sehr ungern sah, wenn 
tüchtige Pfarrer ein Schulpflegeramt übernahmen.) 
Nach solchem Geplänkel wagten die Clericalen im Jahre 1820, noch 
bevor die Uebereinkunft mit dem römischen Stuhle abgeschlossen war, die 
erste offene Auflehnung gegen die Gesetze des preußischen Staates. Unter 
den Domherrngeschlechtern des münsterländischen Adels thaten sich die drei 
Brüder Droste-Vischering durch ihren kirchlichen Eifer hervor; man gab 
ihnen, wie vormals dem erweckten Kreise der Fürstin Galitzin, den Ehren- 
namen der familia sacra. Der älteste, Kaspar Max hatte einst auf dem 
napoleonischen National-Concile von 1810 die Befreiung des gefangenen 
Papstes gefordert und durch seinen tapferen Einspruch den Imperator zur 
Auflösung der Versammlung genöthigt; unter dem wohlwollenden preu- 
ßischen Regimente hielt er sich vorerst klug zurück. 
Von gröberem Metall war der zweite Bruder Clemens August, ein 
mönchischer Eiferer, ohne Geist, ohne Gelehrsamkeit, ohne Menschenkenntniß, 
altväterisch erzogen und der modernen Welt völlig fremd, ganz dem einen 
Gedanken seiner Kirche dahingegeben, unermüdlich im Wohlthun, im 
Fasten und Kasteien, in allen Pflichten römischer Werkheiligkeit. Wer diese 
würdige priesterliche Erscheinung sah, mit den schönen, einfältig frommen 
blauen Augen und dem Zuge störrischen Trotzes um die Lippen, der mochte 
wohl errathen, daß dieser Mann einer fanatischen Partei als Mauer- 
brecher dienen konnte. Wie an allen beschränkten Köpfen, so erfüllte sich 
auch an ihm das alte tiefsinnige Wort, daß der Mensch durch heiligen 
Eifer getrieben zu werden glaubt derweil ihn der irdische Zorn treibt. Er 
haßte dies bürgerliche, paritätische Kreußen mit dem ganzen Ingrimm des 
geistlichen Junkers, er haßte die Philosophen, und da er weder fähig noch 
geneigt war ihre Werke zu lesen, so verdammte er sie alle mit pfäffischem 
Hochmuth als Vernünftlinge und Kirchenfeinde. Vor Napoleon's Macht- 
geboten war er, minder kühn als sein Bruder, schen zurückgewichen; er 
hatte als rechtmäßiger Generalvicar des Bisthums Münster die Verwal- 
tung seines Amtes, auf einen Befehl aus Paris, seinem Todfeinde, dem 
philosophisch aufgeklärten Grafen Spiegel abgetreten, aber diesen Entschluß 
— die einzige muthlose That seines Lebens — reuig zurückgenommen, als 
  
*7) Solms-Laubach's Bericht, 18. August 1819.
	        
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