222 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
tische Großherzog die Ernennung der Pfarrer, die bisher dem Erzüischof
zugestanden, kurzerhand an sich gerissen, als ob sie zu den Hoheitsrechten
des Staates gehörte. In Nassau war seit 1817 die Simultan-Volksschule
eingeführt, sodaß fortan nur ein einziges Schullehrerseminar für alle
Bekenntnisse bestand und die Kinder zuerst gemeinsam „den allgemeinen“,
dann gesondert den confessionellen Religionsunterricht empfingen; zur
Vollendung der Aufklärung wurde den Schulbuben, ganz wie im wieder-
geborenen Spanien, auch Landesverfassungslehre vorgetragen — natürlich
nur die nassauische, denn was ging die Nassauer Deutschland an? Die
Ergebnisse dieser bureaukratischen Volksaufklärung waren nicht ganz schlecht,
da so viele Confessionen in dem Ländchen bunt durch einander hausten;
der römische Stuhl aber konnte an der allgemeinen nassauischen Schul-
religion unmöglich Gefallen finden. Und noch weniger behagten ihm die
Bevollmächtigten der Conferenz.
Für Württemberg erschien außer Wangenheim, der sich von vorn-
herein zu den Sätzen „des musterhaften josephinischen Kirchenrechts“ be-
kannte, der Generalvicariatsrath Jaumann, ein gelehrter geistlicher Herr,
nebenbei archäologischer Dilettant, ebenfalls erklärter Josephiner. Der
nassauische Bevollmächtigte Koch, einer der Begründer der aufgeklärten
Simultan-Volksschule, hatte den geistlichen Stand bereits aufgegeben und
ließ sich während der Conferenzen durch einen protestantischen Pfarrer
trauen, so daß er des Scandals halber abberufen werden mußte. Von
den Vertretern Badens war der eine, Decan Burg einst mit Wessenberg
nach Rom gegangen; auch der andere, der vielseitig gebildete, um die Frei-
burger Universität hoch verdiente Staatsrath v. Ittner, verdankte seine
Berufung der Empfehlung des Constanzer Coadjutors und stand zu Rom
als Freund und Mitarbeiter des rationalistischen Eiferers Zschokke in üblem
Ansehen. Domherr v. Wreden, der darmstädtische Bevollmächtigte, hatte
schon zur Zeit der Emser Bischofsversammlung die Ansprüche des Papst-
thums mit scharfer Feder bekämpft. Außer Wangenheim war der Kur-
hesse Ries der einzige Protestant in der Versammlung.
Begreiflich also, daß Consalvi in der Frankfurter Conferenz nur
einen Parteitag der Wessenbergischen Partei sah, und diese Richtung war
dem Papste augenblicklich noch verdächtiger als der Protestantismus selber.
Wangenheim aber blickte mit unerschütterlicher Zuversicht auf die gesammelte
Macht seines reinen Deutschlands und hielt für undenkbar, daß der
Vatican sich je erdreisten könnte, dem geeinten Willen von fünf deutschen
Souveränen zu widersprechen; sogar die Ernennung der Bischöfe glaubte
er der Curie abtrotzen zu können, da der Papst zur Zeit des Rheinbundes,
in einem Augenblicke höchster Bedrängniß, einmal nahe daran gewesen war,
dies Recht, den alten Grundsätzen der vaticanischen Politik zuwider, dem
protestantischen Könige von Württemberg zuzugestehn. Auf Wangenheim's
Vorschlag stellte die Conferenz die Rechte, welche sie für die Staatsgewalt in