Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die letzte Verfassungs-Commission. 239 
in Preußen doch nur eine Vertretung des eigentlichen Volkes, der Grund— 
besitzer beabsichtigte. Schönberg schrieb dagegen, mit deutlichem Hinweis 
auf Haller: „Alles in der Welt kann mißdeutet werden. Mögen die 
Philosophen über die Grundsätze, worauf Staaten basirt sein sollen, träu— 
men, erfinden und restauriren, Preußens König und sein erlauchtes Haus 
braucht von diesen Theorien sein Heil nicht zu erwarten. Dieses liegt 
fest begründet in der Treue, dem Gehorsam und der Liebe seiner Unter— 
thanen. Ich habe den Ausdruck nicht für bedenklich ansehen können. Der 
König und sein Volk ist ein schönes Wort, dessen Sinn in der Zeit der 
großen Ereignisse sich auf das Herrlichste bewährt hat. Eine ständische 
Repräsentation bleibt immer eine Repräsentation des Volks. Wäre dieses 
nicht der Fall, so würden alle Unterthanen, welche nicht so glücklich sind 
ein Grundbesitzthum zu haben, gewissermaßen außer dem Gesetz sein, 
welches man doch nicht annehmen kann.“ Voß aber erwiderte schroff: 
„S. Maj. haben seitdem irgend auf eine Weise nicht zu erkennen ge- 
geben, daß sie jene als Gesetzgeber gegebene Verordnung, in welcher ich 
ein Versprechen zu finden nicht vermag, sowie sie dasteht, ausgeführt wissen 
wollten; vielmehr möchte ich auf das Gegentheil schließen." 
Damit war ein unheilvolles Wort gesprochen, das bald zum Schlag- 
worte der reaktionären Partei wurde und nach einem Vierteljahrhundert 
sich schwer bestrafen sollte. Als absoluter Monarch war der König un- 
zweifelhaft berechtigt, die Verordnung vom 22. Mai durch eine neue Ver- 
ordnung förmlich aufzuheben; aber so lange er sich dazu nicht entschloß, 
blieb er an sein Versprechen gebunden. Und eine feierliche Zusage enthielt 
jene Verordnung allerdings; das zeigte der Wortlaut sowie die bestimmte 
Versicherung Hardenberg's, der die Verordnung selbst verfaßt und die 
Willensmeinung des Königs darüber eingeholt hatte. Welch eine Ver- 
wirrung aller Rechtsbegriffe mußte entstehen, wenn man jetzt begann diese 
klaren Thatsachen zu verdunkeln und die ungeheuerliche Behauptung auf- 
stellte, es stehe der Krone frei, die Verordnung vom 22. Mai nicht auf- 
zuheben und doch sie nicht zu befolgen! 
Aber sollte nicht mindestens die frühere Zusage wiederholt und den 
Provinzialständen das Wahlrecht für die künftigen Reichsstände nochmals 
feierlich versprochen werden? Vincke sprach eifrig dafür. Selbst Ancillon 
stimmte ihm hier bei, weil dadurch der allein wahre Grundsatz der ab- 
gestuften Wahlen im Voraus anerkannt und „der Glaube an die künftige 
Herstellung der allgemeinen Reichsstände belebt würde. Wir müssen nie 
vergessen,“ fuhr er fort, „daß die allgemeinen Stände von Sr. Maj. 
förmlich versprochen sind, daß auch die Besseren sie wünschen, daß wir 
gleich den Grundbau mit Beziehung auf sie aufführen müssen, und daß 
bei der großen Wirksamkeit, die wir den Provinzialständen einräumen, 
die allgemeinen um so nothwendiger mit der Zeit werden müssen, da sie 
allein ein gesetzmäßiges Ausgleichungsmittel der oft entgegengesetzten
	        
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