Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

262 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
selbst im Laufe der Jahre von den Bahnen der Politik Metternich's 
entfernte, um so lästiger wurde ihm der alte Polterer, der jedes eigenen 
Gedankens baar, nur wie ein Doppelgänger des österreichischen Gesandten 
Zichy erschien und zuletzt seinen vorgesetzten Minister geradezu bekämpfte. 
Witzleben aber las die Wiener Gesandtschaftsberichte stets mit Entsetzen und 
schrieb sich zuweilen die ärgsten Stellen ab, um den König in vertraulichem 
Gespräche vor diesem Uebermaße der Parteiwuth zu warnen. — 
Mit Preußen fest verbündet, mit England verständigt, mit Rußland 
leidlich ausgesöhnt, konnte Metternich dem vierten Congresse, der nach 
neueren Verabredungen in Verona stattfinden sollte, mit einiger Ruhe 
entgegensehen; er wußte mindestens, daß die orientalische Frage — der 
Ausdruck kam in diesen Tagen auf — dort nur geringe Schwierigkeiten 
bereiten würde. In Spanien freilich hatte sich die Lage mittlerweile sehr 
ernst gestaltet. Der Radicalismus war in beständigem Wachsthum; schon 
schritt man zur Aufhebung der Klöster und der Majorate, der katholischen 
Majestät ins Angesicht brüllte der Pöbel das wilde Hohnlied: tragals 
perro, schling“ es nieder du Hund! König Ferdinand sendete insgeheim 
flehende Hilferufe an die großen Mächte und wagte endlich im Juli 1822 
einen Staatsstreich. Der tückische Anschlag mißlang. Verzweifelnd an der 
Treue dieses Fürsten zerstoben die gemäßigten Parteien in alle Winde, 
die Radicalen allein behaupteten das Feld in der Hauptstadt, der Bour- 
bone war ein Gefangener in seinem Schlosse. In den hartgläubigen 
Provinzen des Nordens aber schaarte sich die Partei der Servilen zu- 
sammen, Priester und Mönche predigten den Glaubenskrieg wider die 
Revolution; in Urgel ward eine Regentschaft eingesetzt, die im Namen des 
unfreien Königs zu handeln vorgab und ihre Agenten an alle Höfe sendete. 
Der Bürgerkrieg raste dahin, und wie sollte er enden unter einem Fürsten, 
der alle Parteien verrathen und mißbraucht hatte? Dieser König muß 
fallen, schrieb Bernstorff traurig, er hat alle Eigenschaften sich zu verderben, 
keine sich zu retten.) 
Und schon begannen von Frankreich her die ersten leisen Versuche 
der Einmischung. Dort war im Dee. 1821 ein Ultra-Ministerium unter 
der Führung Villele's gebildet worden. Der Sieg dieser Partei bekundete 
sich sogleich in harten Verfolgungen wider die radicalen Geheimbünde; 
das ganze nächste Jahr hindurch wurde das Land durch gehässige politische 
Processe in Athem gehalten. Zugleich verlangte die Presse der Ultras 
mit wachsendem Ungestüm den Krieg wider Spanien: der beleidigte Vetter 
des Allerchristlichsten Königs sollte gerächt, das Brutnest der jüngsten 
Revolution ausgenommen und die bescheidene Rolle, welche Frankreich 
während der letzten Jahre in Europa gespielt, durch die glänzenden Er- 
folge eines legitimistischen Kreuzzugs gesühnt werden. Wenn der Erbe der 
  
*) Bernstorff an Hatzfeldt, 26. Juli 1822.
	        
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