Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Englands Abfall von der Allianz. 277 
Monroe im Namen der nordamerikanischen Union mehrere der neuen 
Republiken förmlich anerkannt, und Henry Clay in mächtiger Rede ver— 
kündigt, das sei Amerikas Antwort an die unheilige Verschwörung der 
Despoten. Eben jetzt sahen sich britische Kriegsschiffe genöthigt, die 
spanische Blockade vor Puerto Cabello zu sprengen um den Kauffahrern 
die Einfahrt zu sichern. Dies England, das selber so viele gewaltsame 
Herrschaftswechsel erlebt hatte und in seinen Strafgesetzen den Gehorsam 
gegen eine thatsächliche Regierung ausdrücklich erlaubte, konnte die legi— 
timistische Rücksicht für den spanischen Hof unmöglich so weit treiben, daß 
die ergiebigen Märkte von Venezuela und Peru unterdessen an die nord— 
amerikanischen Nebenbuhler verloren gingen. 
In dem trocknen Tone einer kaufmännischen Geschäftsanzeige machte 
Wellington daher den Mächten die Mittheilung: England müsse sich mit 
den Staatsgewalten der Kolonien über die gemeinsame Bekämpfung des 
Seeraubs einigen, und dies Zusammenwirken werde unvermeidlich zur 
Anerkennung des thatsächlichen Bestandes dieser revolutionären Regierungen 
führen. Alle die anderen Mächte widersprachen lebhaft. Kaiser Franz 
ließ rundweg erklären, er werde die Unabhängigkeit der Kolonien niemals 
anerkennen so lange ihr legitimer König dies nicht selbst gethan. Bern— 
storff sprach ebenfalls den lebhaften Widerwillen seines Monarchen aus 
und fand mindestens den Augenblick schlecht gewählt, da die Veroneser 
Beschlüsse vielleicht die Ordnung in Spanien herstellen und eine Ver— 
ständigung der Kolonien mit dem Mutterlande ermöglichen würden. Der 
Czar wollte erst die Wirkungen eines großen Versöhnungsplanes abwarten, 
welchen er mit König Ferdinand verabredet hatte. Frankreich endlich 
bekundete den Wunsch, daß die Allianz sich „dereinst“ über ein gemein— 
sames Vorgehen vereinbaren möge, damit nicht eine einzelne Macht durch 
voreilige Schritte die Handelseifersucht der übrigen errege. Mit dieser 
legitimistischen Bedachtsamkeit, die sich so ängstlich vor dem Eingeständniß 
vollendeter Thatsachen scheute, war den drängenden Interessen des britischen 
Handels nicht gedient. Wellington säumte nicht sich darüber in seiner 
kühlen Weise sehr nachdrücklich auszusprechen, und beim Schlusse des 
Congresses hielt Bernstorff schon für sicher, daß England nunmehr bald, 
ohne die Alliirten zu fragen, sich mit den Rebellenstaaten Südamerikas 
völlig verständigen werde.“) 
Ebenso unbekümmert um die Meinung der übrigen Mächte vertrat 
Wellington auch ein anderes wichtiges Interesse der englischen Handels- 
politik, die Unterdrückung des Negerhandels. Mit welcher Freude hatte 
die gesittete Welt diesen menschenfreundlichen Gedanken einst begrüßt, als 
ihn der edle, gläubige Wilberforce zuerst anregte. Seitdem war der fromme 
Eifer auf dem Festlande längst erkaltet, weil Englands Staatsmänner die 
*) Oesterreichische Erklärung über die spanischen Kolonien, 24. November; preußische, 
28. Nov.; russische, 24. Nov.; französische, o. D.; Bernstorff's Bericht, 30. Nov. 1822. 
 
	        
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