Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Kollmanner's Bericht. 311 
die dilettirenden Pläneschmiede der Triaspolitik selber nicht zu sagen. Mit 
vernichtendem Hohne fiel Gentz sofort über das wunderliche Machwerk her 
und schilderte in einer Denkschrift, welche Metternich an alle österreichischen 
Gesandtschaften versenden ließ, das hinterhaltige Treiben des Stutt— 
garter Hofes so dentlich, daß Jedermann die einzelnen Personen mit 
Händen greifen konnte: unmöglich, so schrieb er, sei dieser Bericht im Kopfe 
eines einzelnen Schriftstellers entstanden, vielmehr habe hier offenbar ein 
unbescheidener Vertrauter die unreifen Anschläge einer Partei ausge— 
plaudert, welche mit Hilfe „eines rastlosen abenteuerlichen Rathgebers“ 
(Wangenheim) den Deutschen Bund, „den Mittelpunkt des Lebens und 
der Kraft des europäischen Bundes“ zerstören und einem gewissen Fürsten 
die Rolle „des deutschen Bonaparte“ auferlegen wolle. Den deutschen 
Bonaparte aber überfiel alsbald die Angst, und er ließ, um seine Un- 
schuld darzuthun, die Gentzische Denkschrift in der Stuttgarter Hofzeitung 
abdrucken. — 
Also hatte sich der Stuttgarter Hof mit Preußen und Oesterreich 
völlig überworfen. Vergeblich stellte Wintzingerode seinem Könige vor, wie 
zwecklos dieser kleine Krieg gegen die Uebermacht sei: ohne das Wohl- 
wollen der großen Mächte könne ein Staat wie Württemberg doch nicht 
bestehen, darum müsse man sich mindestens von Lindner's literarischen 
Umtrieben entschieden lossagen. König Wilhelm erwiderte stolz: „Mein 
Charakter und die Verhältnisse meines Landes erlauben mir nicht den 
chien couchant zu spielen. Ich habe ihn nicht gegen Napoleon in einer 
weit gefährlicheren Zeit gespielt und will nicht jetzt, wo ich einen begrün- 
deten Ruf habe, damit anfangen einem Menschen gegenüber, den ich so 
gründlich verachte wie Metternich. Stark durch mein Gewissen, durch die 
Liebe meiner Unterthanen, durch die öffentliche Achtung Deutschlands er- 
warte ich festen Fußes die geschlossenen Reihen des Machiavellismus des 
schwachen Metternich. Dies mein letztes Wort.“ Immer wieder hatte der 
vorsichtige Minister über den herausfordernden Trotz seines königlichen 
Herrn zu seufzen, der sich's nicht nehmen ließ die großen Höfe durch kleine 
Bosheiten zu ärgern und sogar „den württembergischen Riego“, Oberst 
Bangold, einen der Urheber der demagogischen Ulmer Offiziersadresse, zu 
seinem Flügeladjutanten ernannte.') Immer wieder brachte ihn der Ueber- 
muth des burschikosen Bundesgesandten in Verlegenheit. Als Wangen- 
heim in dem elenden Köthen'schen Streite gar zu gröblich gegen Preußen 
geeifert hatte, ließ Wintzingerode durch den Gesandten in Berlin heilig 
betheuern, daß sein Hof, frei von Hintergedanken, lediglich die ehrliche 
Entwicklung des Bundessystems erstrebe 
)Rühster's Bericht, 10. April 1821. 
**) Wintzingerode, Weisung an den Gesandten Gf. Wintzingerode d. Ae. in Berlin, 
3. Jan. 1822.
	        
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