Bernstorff gegen Metternich. 317
für In- und Ausland, und frohlockend schrieb der badische Staatsmann:
nun haben die Gegner „kaum etwas mehr für sich als die Lüge, das
Geschrei und die Unverschämtheit“. ) Aber die kühne Auslegung des
Bundesrechts, welche Blittersdorff mit den Oesterreichern verabredet hatte,
fand einen unbesieglichen Widerstand an der Rechtlichkeit Bernstorff's.
Der preußische Minister trat sehr kräftig auf, er war über die Gentz'sche
Denkschrift „wahrhaft entsetzt“ und tadelte scharf, daß Hatzfeldt ein „so
unreifes und vages Werk“ mit gewohnter Beflissenheit sogleich nach Berlin
gesendet hatte. Nimmermehr wollte er den Rechtsboden der Schlußakte
verlassen — sonst würde das grundlose Mißtrauen der kleinen Staaten
gegen die Großmächte „gewissermaßen gerechtfertigt“. *) Und wieder wie
vor drei Jahren fand er einen guten Bundesgenossen an Zentner, der
von Rechberg's Hilferufen sehr wenig erbaut war. Seltsame Widersprüche
dieser zwiespältigen Münchener Politik: von Baiern aus waren die Wiener
Verhandlungen veranlaßt, und nun half Baiern selber ihnen die Spitze
abzubrechen. Da die beiden Freunde auch Plessen für sich gewannen, so
ließ Metternich seinen Vorschlag vorläufig fallen, und wehmüthig mußte
Blittersdorff heim berichten: der Preuße und der Baier hätten die Oeffent-
lichkeit der Landtage gerettet, den geplanten Eingriff in die Landes-
verfassungen vereitelt.““) In Berlin fand Bernstorff's ehrenhaftes Verhalten
vollkommene Zustimmung; denn obwohl der preußische Hof jetzt zuver-
sichtlich hoffte, die süddeutschen Verfassungen würden sich bald als völlig
unhaltbar erweisen, so dachte er doch jeden Rechtsbruch zu vermeiden.
Selbst Schuckmann, der starke Bureaukrat, sagte in einem Gutachten:
ein Eingriff des Bundestages in die Landesverfassungen sei rechtlich nur
dann statthaft, wenn man die Regierungen vorher veranlasse ihre Grund-
gesetze unter die Bürgschaft des Bundes zu stellen.#“)
Auch über die Presse hatte Gentz einen Entwurf ausgearbeitet, der
sogleich mit der Ermahnung begann, daß die Regenten den Verführern der
öffentlichen Meinung nicht bloß das Stillschweigen der Verachtung entgegen-
setzen dürften. Gentz selber war gegen den Vorwurf übertriebener Schweig-
samkeit allerdings gesichert; denn auf achtundzwanzig engen Seiten entlud
er seinen alten Groll gegen die Zeitungsschreiber. Wenn der große Publicist
diesen seinen Lieblingsfeinden gegenübertrat, dann konnte er seine staats-
männische Haltung nie bewahren. Was wurde dieser geknebelten Presse nicht
Alles nachgesagt; sie sollte bewiesen haben, „daß sie in ihren gleißnerischen
Anpreisungen einer constitutionellen Monarchie nie etwas Anderes gewollt
hatte als eine demokratische „Mißgeburt“, und da ein gemeinsamer Criminal-
codex gegen Preßvergehen leider unerreichbar sei, so „werde es bald erlaubt
*) Blittersdorff's Berichte, 5. Febr., 5. März 1823.
**) Bernstorff's Bericht an den König, 21. Jan.; Bernstorff an Ancillon, 21. Jan. 1823.
***) Blittersdorff's Bericht, 3. Febr. 1823.
) Schuckmann an Bernstorff, 28. April 1823.