Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Bernstorff gegen Metternich. 317 
für In- und Ausland, und frohlockend schrieb der badische Staatsmann: 
nun haben die Gegner „kaum etwas mehr für sich als die Lüge, das 
Geschrei und die Unverschämtheit“. ) Aber die kühne Auslegung des 
Bundesrechts, welche Blittersdorff mit den Oesterreichern verabredet hatte, 
fand einen unbesieglichen Widerstand an der Rechtlichkeit Bernstorff's. 
Der preußische Minister trat sehr kräftig auf, er war über die Gentz'sche 
Denkschrift „wahrhaft entsetzt“ und tadelte scharf, daß Hatzfeldt ein „so 
unreifes und vages Werk“ mit gewohnter Beflissenheit sogleich nach Berlin 
gesendet hatte. Nimmermehr wollte er den Rechtsboden der Schlußakte 
verlassen — sonst würde das grundlose Mißtrauen der kleinen Staaten 
gegen die Großmächte „gewissermaßen gerechtfertigt“. *) Und wieder wie 
vor drei Jahren fand er einen guten Bundesgenossen an Zentner, der 
von Rechberg's Hilferufen sehr wenig erbaut war. Seltsame Widersprüche 
dieser zwiespältigen Münchener Politik: von Baiern aus waren die Wiener 
Verhandlungen veranlaßt, und nun half Baiern selber ihnen die Spitze 
abzubrechen. Da die beiden Freunde auch Plessen für sich gewannen, so 
ließ Metternich seinen Vorschlag vorläufig fallen, und wehmüthig mußte 
Blittersdorff heim berichten: der Preuße und der Baier hätten die Oeffent- 
lichkeit der Landtage gerettet, den geplanten Eingriff in die Landes- 
verfassungen vereitelt.““) In Berlin fand Bernstorff's ehrenhaftes Verhalten 
vollkommene Zustimmung; denn obwohl der preußische Hof jetzt zuver- 
sichtlich hoffte, die süddeutschen Verfassungen würden sich bald als völlig 
unhaltbar erweisen, so dachte er doch jeden Rechtsbruch zu vermeiden. 
Selbst Schuckmann, der starke Bureaukrat, sagte in einem Gutachten: 
ein Eingriff des Bundestages in die Landesverfassungen sei rechtlich nur 
dann statthaft, wenn man die Regierungen vorher veranlasse ihre Grund- 
gesetze unter die Bürgschaft des Bundes zu stellen.#“) 
Auch über die Presse hatte Gentz einen Entwurf ausgearbeitet, der 
sogleich mit der Ermahnung begann, daß die Regenten den Verführern der 
öffentlichen Meinung nicht bloß das Stillschweigen der Verachtung entgegen- 
setzen dürften. Gentz selber war gegen den Vorwurf übertriebener Schweig- 
samkeit allerdings gesichert; denn auf achtundzwanzig engen Seiten entlud 
er seinen alten Groll gegen die Zeitungsschreiber. Wenn der große Publicist 
diesen seinen Lieblingsfeinden gegenübertrat, dann konnte er seine staats- 
männische Haltung nie bewahren. Was wurde dieser geknebelten Presse nicht 
Alles nachgesagt; sie sollte bewiesen haben, „daß sie in ihren gleißnerischen 
Anpreisungen einer constitutionellen Monarchie nie etwas Anderes gewollt 
hatte als eine demokratische „Mißgeburt“, und da ein gemeinsamer Criminal- 
codex gegen Preßvergehen leider unerreichbar sei, so „werde es bald erlaubt 
  
*) Blittersdorff's Berichte, 5. Febr., 5. März 1823. 
**) Bernstorff's Bericht an den König, 21. Jan.; Bernstorff an Ancillon, 21. Jan. 1823. 
***) Blittersdorff's Bericht, 3. Febr. 1823. 
) Schuckmann an Bernstorff, 28. April 1823.
	        
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