320 III. 5. Die Großmächte und die Trias.
Dann brachte die Stuttgarter Hofzeitung einen demüthigen Artikel,
welcher die großen Mächte der vollkommenen Uebereinstimmung Württem-
bergs versicherte. Sofort ersah Metternich seinen Vortheil und ließ in
Stuttgart die Forderung stellen: sei der König wirklich mit den Mächten
einverstanden, so möge er dies beweisen durch die Abberufung Wangen-
heim's, der soeben noch dem Veroneser Manifest die Anerkennung versagt
habe. Preußen schloß sich alsbald an. Wintzingerode aber war uner-
schöpflich in Vorwänden und Bedenken: was solle man mit diesem ehr-
geizigen Talente im Lande Württemberg anfangen? ein Vergehen habe
sich Wangenheim nicht zu Schulden kommen lassen, für die Zukunft sei
er schon zur Behutsamkeit ermahnt — und was sich sonst noch an Aus-
flüchten bot.) Der Grund der Weigerung lag allein in dem Stolze des
Königs. Der prahlte schon laut, eine andere Genugthuung als jenen
Zeitungsartikel würden die Ostmächte nie erhalten. Er glaubte sich Alles
erlauben zu können, weil der Petersburger Hof, auf dessen Meinung er
allein Werth legte, sehr mild auftrat; Czar Alexander wollte, obgleich
selbst beleidigt, seinen Schwager schonen und empfahl seinem Gesandten
eine versöhnliche Sprache)
Doch weder Bernstorff noch Metternich gedachten sich mit einer so
spöttischen Genugthuung zu begnügen. Großmüthig war es nicht, aber
nach allem Geschehenen leicht erklärlich, daß sie endlich beschlossen, dem
hochfahrenden kleinen Herrn die Grenzen seiner Macht zu zeigen. Auch
der Czar ließ sich überzeugen und am 27. April richtete König Friedrich
Wilhelm an den König von Württemberg ein lakonisches Schreiben, des
Inhalts: „Ich finde Mich bewogen, Meinen Gesandten abzuberufen.“
Küster verließ Stuttgart, die Gesandten Oesterreichs und Rußlands thaten
desgleichen. Dabei wurden die Formen des Bundesrechts streng gewahrt:
die russische Diplomatie sagte kein Wort über Wangenheim's Entlassung,
weil der Czar sich in die deutschen Händel nicht mischen wollte.““) Auch
der französische Gesandte hatte Urlaub auf unbestimmte Zeit genommen,
da der Tuilerienhof die Angriffe der Stuttgarter Presse schwer empfand,
und so war denn mit einem male das diplomatische Corps, dieser unent-
behrliche Zierrath jedes Kleinkönigshofes, fast gänzlich vom Nesenbache
verschwunden.
Das hatte König Wilhelm nicht erwartet. Als sei nichts geschehen,
befahl er seinen Diplomaten gleichmüthig in den Hauptstädten der Ost-
*) Wintzingerode an Gremp in Wien, 23. März; Küster's Berichte, 15.,29. März 1823.
**) Nesselrode, geh. Weisung an Benckendorff, 1 Febr.; Bernstorff an Hatzfeldt,
23. März 1823.
*““) Metternich an Lebzeltern in Petersburg, 7. April; Bernstorff's Bericht an den
König, 17. April; König Friedrich Wilhelm an den König v. Württemberg, 27. April;
25. April
Nesselrode an Alopeus 7 Mas- 1823.