Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

320 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
Dann brachte die Stuttgarter Hofzeitung einen demüthigen Artikel, 
welcher die großen Mächte der vollkommenen Uebereinstimmung Württem- 
bergs versicherte. Sofort ersah Metternich seinen Vortheil und ließ in 
Stuttgart die Forderung stellen: sei der König wirklich mit den Mächten 
einverstanden, so möge er dies beweisen durch die Abberufung Wangen- 
heim's, der soeben noch dem Veroneser Manifest die Anerkennung versagt 
habe. Preußen schloß sich alsbald an. Wintzingerode aber war uner- 
schöpflich in Vorwänden und Bedenken: was solle man mit diesem ehr- 
geizigen Talente im Lande Württemberg anfangen? ein Vergehen habe 
sich Wangenheim nicht zu Schulden kommen lassen, für die Zukunft sei 
er schon zur Behutsamkeit ermahnt — und was sich sonst noch an Aus- 
flüchten bot.) Der Grund der Weigerung lag allein in dem Stolze des 
Königs. Der prahlte schon laut, eine andere Genugthuung als jenen 
Zeitungsartikel würden die Ostmächte nie erhalten. Er glaubte sich Alles 
erlauben zu können, weil der Petersburger Hof, auf dessen Meinung er 
allein Werth legte, sehr mild auftrat; Czar Alexander wollte, obgleich 
selbst beleidigt, seinen Schwager schonen und empfahl seinem Gesandten 
eine versöhnliche Sprache) 
Doch weder Bernstorff noch Metternich gedachten sich mit einer so 
spöttischen Genugthuung zu begnügen. Großmüthig war es nicht, aber 
nach allem Geschehenen leicht erklärlich, daß sie endlich beschlossen, dem 
hochfahrenden kleinen Herrn die Grenzen seiner Macht zu zeigen. Auch 
der Czar ließ sich überzeugen und am 27. April richtete König Friedrich 
Wilhelm an den König von Württemberg ein lakonisches Schreiben, des 
Inhalts: „Ich finde Mich bewogen, Meinen Gesandten abzuberufen.“ 
Küster verließ Stuttgart, die Gesandten Oesterreichs und Rußlands thaten 
desgleichen. Dabei wurden die Formen des Bundesrechts streng gewahrt: 
die russische Diplomatie sagte kein Wort über Wangenheim's Entlassung, 
weil der Czar sich in die deutschen Händel nicht mischen wollte.““) Auch 
der französische Gesandte hatte Urlaub auf unbestimmte Zeit genommen, 
da der Tuilerienhof die Angriffe der Stuttgarter Presse schwer empfand, 
und so war denn mit einem male das diplomatische Corps, dieser unent- 
behrliche Zierrath jedes Kleinkönigshofes, fast gänzlich vom Nesenbache 
verschwunden. 
Das hatte König Wilhelm nicht erwartet. Als sei nichts geschehen, 
befahl er seinen Diplomaten gleichmüthig in den Hauptstädten der Ost- 
*) Wintzingerode an Gremp in Wien, 23. März; Küster's Berichte, 15.,29. März 1823. 
**) Nesselrode, geh. Weisung an Benckendorff, 1 Febr.; Bernstorff an Hatzfeldt, 
23. März 1823. 
*““) Metternich an Lebzeltern in Petersburg, 7. April; Bernstorff's Bericht an den 
König, 17. April; König Friedrich Wilhelm an den König v. Württemberg, 27. April; 
25. April 
Nesselrode an Alopeus 7 Mas- 1823. 
 
	        
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