Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

324 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
Lindner mußte Württemberg verlassen, und von geheimnißvollen Stutt— 
garter Manifesten erfuhr die Welt nichts mehr. — 
Derweil diese schwäbische Tragikomödie sich langsam abspielte, wurde 
die Epuration des Bundestags vollendet, das einzige Ergebniß der un— 
fruchtbaren Wiener Conferenz. Im April 1823 erschien der neue Bundes— 
präsidialgesandte Frhr. v. Münch-Bellinghausen in Frankfurt, ein noch 
junger Mann, der sich bei den Elbschifffahrts-Verhandlungen durch diplo— 
matische Gewandtheit ausgezeichnet und bald Metternich's volles Ver— 
trauen gewonnen hatte, herrschsüchtig, aufgeblasen, gemüthlos, überall 
unbeliebt, aber weit geschickter als sein Vorgänger. Die Schmiegsamkeit 
der kleinstaatlichen Diplomatie verstand er bald schmeichelnd, bald drohend 
trefflich zu behandeln. Metternich sagte von ihm: „er ist ganz mein Mann.“ 
Seine Instruktion wies ihn an, die Geschäftsordnung unnachsichtlich zu 
handhaben und auch einige der Vorschläge, welche Metternich auf der 
Wiener Conferenz nicht zum Abschluß gebracht hatte, vornehmlich die Heim- 
lichkeit der Bundesverhandlungen durchzusetzen; kein Wunder, daß Berstett 
diese Weisungen mit wahrer Wonne las. Als Münch sein Amt antrat, 
war er noch Neuling genug, um zu glauben, daß der Bundestag doch 
irgend einen Zweck haben müsse, und klagte dem beflissenen Blittersdorff, 
der sich sogleich an ihn herandrängte: hundertmal habe er in Wien seinen 
hohen Gönner gefragt, was man eigentlich aus dem Bunde machen wolle, 
aber niemals eine bestimmte Antwort erhalten.)) Nach kurzer Frist hatte 
er diese jugendlichen Irrthümer gründlich abgethan; er lebte sich ein in 
den beschäftigten Müßiggang der Eschenheimer Gasse und fand es ganz 
in der Ordnung, daß außer der Abwandelung von Demagogen und Zeitungen 
eigentlich nichts weiter mehr vorkam als Instruktionseinholungen und 
Incompetenzerklärungen. Nachdem er diesem Treiben ein viertel Jahr- 
hundert hindurch vorgestanden hatte, erschien er der Nation wie die Ver- 
körperung der hohen Bundespolizei. 
Noch bevor Münch eintrat und bevor Oesterreich in Darmstadt drohend 
mahnte, wurde Harnier von seinem Posten abberufen. Dann folgte Wangen- 
heim's Sturz. Am längsten unter den drei Führern der Opposition hielt 
der Kurhesse Lepel aus, obwohl Metternich seine Abberufung mehrmals 
verlangt und endlich sogar den diplomatischen Verkehr mit dem Casseler 
Hofe auf das geringste Maß beschränkt hatte. Der Kurfürst blieb dabei, 
ihm habe Niemand etwas zu befehlen. Doch aus dem Casseler Glashause 
ließ sich's schlecht mit Steinen werfen. Als der Kurfürst im September 
böhmische Landgüter für seine Maitresse zu erwerben wünschte, da erwiderte 
ihm Metternich trocken: einem Fürsten, der einen so schlechtgesinnten Bundes- 
gesandten halte, könne der Kaiser keine Gnade erweisen. Nun war Lepel 
*) Allgemeine und Special-Instruktion für Frhr. v. Münch-Bellinghausen; Berstett 
an Metternich, 30. April; Blittersdorff's Bericht, 18. April 1823.
	        
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