Hauptbericht der Mainzer Commission. 345
Berichte ist nur eine durchgreifende und leitende Idee aufzufinden, und
diese besteht darin, daß alle späteren Umtriebe und geheimen Verbindungen
aus jenen hervorgegangen seien, welche gegen die französische Herrschaft
und gegen den Rheinbund gerichtet waren!“)
So stand es in der That. Der alte Herausgeber der Münchener
Alemannia hatte sich nicht entblödet, seine ungebrochene Rheinbunds-
gesinnung, seinen Todhaß gegen Preußen und den Befreiungskrieg in dem
Commissionsberichte auszusprechen; er hatte die Denunciationen von
Schmalz zugleich benutzt und überboten. Durch seine Arbeit ging, wie
Blittersdorff wehklagte, „die schlecht verhüllte Tendenz, Preußen und die
Mächte als die Urheber des Geistes zu bezeichnen, den sie später nicht
mehr bändigen konnten“. Es ist nicht anders, die Erhebung gegen Napoleon
wurde hier von Bundeswegen dem preußischen Volke als ein Verbrechen
angerechnet. Der erste demagogische „Umtrieb“, womit Hörmann's Er-
zählung begann, war ein Brief Schleiermacher's an Reimer, geschrieben
nach der Schlacht von Jena, der mit den Worten schloß: „Eine allgemeine
Regeneration ist nothwendig und wird sich aus diesen Begebenheiten ent-
wickeln. Wie, das kann man jetzt noch nicht sehen; aber wir wollen dabei
sein und mit angreifen, sobald der Gang der Dinge uns aufruft oder mit
sich fortreißt.“ Darauf folgten Fichte's Reden an die deutsche Nation, der
Tugendbund, Arndt's Katechismus für den deutschen Landwehrmann, alle
die patriotischen Vereine, die sich in der Zeit der schweren Noth gegen
die Franzosen zusammengethan. Stein und Gneisenau waren mehrmals
als verdächtig erwähnt und fast auf jeder Seite prangte der Name Harden-
berg's, des großen Gönners der Verschwörer. Aus diesen Umtrieben gegen
die legitime Herrschaft Napoleon's waren sodann durch natürliche Fort-
pflanzung die Burschenschaft, die Turnplätze, die Unbedingten, die beiden
Mordthaten von 1819 hervorgegangen. Aus späterer Zeit wußte Hörmann
nicht viel mehr anzuführen, als einen Jünglingsbund und einen räthsel-
haften Männerbund, über dessen Zwecke sich die Commission mit Wen-
dungen wie „es ist gedenkbar“ hinweghelfen mußte.
War der Grundgedanke des Berichts schändlich, beleidigend für die
Ehre der Nation, so zeigte die Ausführung im Einzelnen eine gewissen-
lose Willkür, die sich freilich aus dem seltsamen Zwittercharakter der
Mainzer Behörde fast nothwendig ergab. Ein förmlicher Staatsgerichts-
hof, wie ihn Preußen in Karlsbad vergeblich vorgeschlagen, hätte sich streng
an erwicesene Thatsachen halten müssen. Diese Untersuchungscommission
aber meinte sich verpflichtet, „aus einigen tausend, ihrem wahren Sinne
nach größtentheils nicht hinlänglich erklärten Papieren, dann aus einigen
hundert zum Theil noch unvollständigen Vernehmungen die Geschichte eines
mehr als zehnjährigen, weniger in bestimmten Thathandlungen als in
*) Blittersdorff an Münch, 25. Nov., 7. Dec.; an Berstett, 26. Nov. 1826.