350 III. 5. Die Großmächte und die Trias.
dieser Selbstentwürdigung des Thronfolgers erfuhr; „das ist mehr als
unglaublich“, schrieb Hatzfeldt entsetzt. Dann wurde gar das neue Theater
in München mit der Aufführung der revolutionären Stücke Egmont
und Tell eröffnet, und die zügellose bairische Presse erlaubte sich dabei
unehrerbietige Bemerkungen über weiland König Philipp II.) Genug,
von Wien aus ermuthigt, begann Rechberg das alte Spiel von Neuem,
Lerchenfeld glaubte schon seinen nahen Sturz vorherzusehen, noch Schlim-
meres wurde befürchtet, und bei der zunehmenden Willensschwäche des
greisen Königs ließ sich der Ausgang schwer berechnen. Da starb Max
Joseph, am 12. Oktober 1825, glücklich und friedlich wie er gelebt. Nach
seiner Gewohnheit war er zu seinem Namenstage in die Hauptstadt ge-
kommen um die Glückwünsche seiner Baiern entgegenzunehmen, und dann
am Abend, mit freundlichen Erinnerungen in seinem guten Herzen, nach
Nymphenburg zurückgefahren. Dort entschlief er sanft noch in derselben
Nacht, aufrichtig beweint von seinem Volke. Mit der Thronbesteigung
König Ludwig's begann für Baiern eine neue Zeit. —
In Württemberg war eine neue Geschäftsordnung für den Landtag
unnöthig, wie Trott in Frankfurt mit gutem Gewissen versichern konnte.
Die altrechtliche Einrichtung der Landtagsausschüsse hatte hier längst wieder
ihre zweischneidige Wirkung gezeigt. Unter Weishaar's kluger Leitung
pflegte der ständige Ausschuß alle wichtigen Angelegenheiten mit den
Ministern so genau zu vereinbaren, daß der Landtag selber nur noch das
Nachsehen hatte, und da die Kammern überdies ihre Kraft in endlosen
Commissionsberathungen vergeudeten, so verliefen die Verhandlungen des
Plenums still und langweilig. Die schwäbische Schreiberregierung blühte
fröhlich fort, und die einzige Corporation des Landes, welche sich neben
dem allmächtigen Beamtenthum noch in einiger Selbständigkeit behauptete,
die Universität, bekam den Unwillen des Herrenstandes schwer zu fühlen.
Der königliche Commissar Hofacker führte in Tübingen ein rohes, tyran-
nisches Regiment, das auf keiner anderen deutschen Hochschule seinesgleichen
fand. Dann tauchte der Vorschlag auf, die Universität in die Hauptstadt
zu verlegen. Von den Bildungsmitteln einer großen Stadt besaß Stuttgart
damals zwar sehr wenig; aber die fröhliche Ungebundenheit des akademi-
schen Lebens, die dem soldatischen Könige immer widerwärtig blieb, sollte
an der Hofluft, an der Garnison und der starken Polizei der Residenz ihre
Meister finden. Der kleinliche Gedanke wurde vorläufig noch abgewendet,
jedoch im Jahre 1829 erhielt die Universität eine völlig neue, rein bureau-
kratische Verfassung. Seltsame Ironie des Schicksals, daß der Metter-
nich'sche Plan der Universitätsreform, der in allen anderen Bundesstaaten
auf unüberwindliche Hindernisse stieß, allein in dem Lande des liberalen
Schwabenkönigs sich verwirklichte. Noch war in Tübingen unvergessen,
*) Hatzfeldt's Bericht, 17. März 1825.