Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

28 III. 1. Die Wiener Conferenzen. 
schicken. Wintzingerode fühlte, daß dieser halbe Widerspruch gegen die 
gegebene Zusage verstieß, und betheuerte daher gleichzeitig dem öster- 
reichischen Cabinet: die Erklärung sei dem Grafen Mandelsloh schon 
nach Wien zugesendet worden, doch leider nicht rechtzeitig eingetroffen. 
Metternich aber ertheilte dem ewig hadernden kleinen Hofe einen scharfen 
Verweis; warum müsse Württemberg „in einem Falle, wo Alle dasselbe 
wollten,“ wieder einmal die Eintracht stören?*) Also wurde am fünften 
Jahrestage der Bundesakte das zweite und letzte Grundgesetz des Deutschen 
Bundes angenommen. — 
Die beste Kritik des Werkes lag in der seltsamen Thatsache, daß, 
mit Ausnahme des Stuttgarter Hofes sowie der beiden Ultras Marschall 
und Berstett, die sämmtlichen Betheiligten damit zufrieden waren oder 
schienen. Schwer besorgt hatte Karl August von Weimar auf die Wiener 
Verhandlungen geblickt und seinen Fritsch ermächtigt, sich nöthigenfalls 
unter Protest zurückzuziehen, wenn die Conferenz das innere Leben der 
Einzelstaaten zu stören suche. Jetzt sah er wohl, daß im Grunde Alles 
beim Alten blieb; er erkannte die Mäßigung der Großmächte dankbar 
an, reiste im Frühjahr nach Prag zum Kaiser Franz, der ihn sehr freund- 
lich aufnahm und den alten Groll wider den Altburschen scheinbar ganz 
vergessen hatte.“') Auch die am Wiener Hofe so übel angeschriebenen 
Senate der freien Städte athmeten erleichtert auf, und die inbrünstigen 
Dankesworte, welche Hach beim Schlusse der Conferenzen an das Haus 
Oesterreich richtete, kamen sicherlich aus ehrlichem Herzen. In München 
wurde der heimkehrende Zentner von seinem Könige mit Gnaden über- 
schüttet und sofort zum Staatsminister ernannt.*) Kaum minder zu- 
frieden war das Berliner Cabinet. Bernstorff's ehrenhaftes und wohl- 
wollendes Verhalten hatte an den kleinen Höfen manche der Vorurtheile 
überwunden, welche dort noch von den Befreiungskriegen her gegen Preußen 
gehegt wurden. Das neubefestigte freundliche Verhältniß zu Baiern 
schien einen ruhigen Gang der Bundespolitik zu verbürgen, und glückselig 
schrieb Ancillon nach München: „Die Schlußakte hat das Problem, die 
Souveränität eines jeden Staates mit der Kraft des Ganzen zu verein- 
baren, so glücklich gelöst, wie es unter den gegebenen Umständen nur 
immer möglich war.“J) 
Nicht ebenso befriedigt mochte Metternich auf die Conferenzen zurück- 
blicken, die so manchen seiner Lieblingspläne in der Stille begraben hatten. 
Oft genug hatte er erfahren müssen, welchem zähen, stillen Widerstande 
jeder durchgreifende Entschluß in dieser bunten deutschen Staatenwelt be- 
*) Wintzingerode an Metternich, 9. Juni; Metternich's Antwort 19. Juni; Küster's 
Bericht, Stuttgart, 20. Juni, 3. Juli 1820. 
**) Piquot's Bericht, Wien, 21. Juni 1820. ) Zastrow's Bericht, 7. Juni 1820. 
)Weisung an Zastrow, 7. Juni 1820.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.