Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

378 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
Grundsatz der wirthschaftlichen Freiheit aufzuopfern. Damit war das 
Ziel der neuen deutschen Gewerbepolitik richtig erkannt, das schwierige 
Problem war gestellt, zu dem unsere Gesetzgebung seitdem immer von Neuem 
zurückgekehrt ist. Begreiflich also, daß der erste Versuch der Lösung sehr 
langwierige Vorarbeiten erforderte, die überdies durch die widersprechenden 
Gutachten der Provinziallandtage noch erschwert wurden. Mittlerweile blieb 
die Gewerbefreiheit, mit Ausnahme der kursächsischen und schwedischen 
Landestheile, im ganzen Bereiche der Monarchie ungestört, der alte Unter— 
schied von Handwerk und Fabrik wurde durch den überhandnehmenden 
Großbetrieb mehr und mehr verwischt, die von den Altständischen erhoffte 
Rückkehr zu den alten Zuständen erwies sich bald als unmöglich. 
Fast noch härter bekundete sich die conservative Gesinnung der Pro— 
vinzialstände gegenüber den Juden. Das befreiende Edikt vom 11. März 
1812 war in den neuen Provinzen noch nicht eingeführt, nur seine Vor— 
schriften über den Staatsdienst galten selbstverständlich für den gesammten 
Staat und wurden überall streng eingehalten: auch in den Rheinlanden, 
wo man einige von Frankreich übernommene jüdische Subalternbeamte 
in der Stille pensionirte.“) Nach dem Kriege bemühte sich Hardenberg 
mehrmals, den jüdischen Freiwilligen, zumal den Rittern des eisernen 
Kreuzes, eine Anstellung oder doch eine Entschädigung zu erwirken; jedoch 
das gesammte Staatsministerium, allein Bülow ausgenommen, wollte von 
dem harten Buchstaben des Gesetzes nicht abweichen, da den Juden bereits 
„ohne alle Aufopferung die früheren Rechte so bedeutend erweitert“ worden 
seien, und einigte sich schließlich zu dem Beschlusse, daß jüdischen Soldaten 
niemals ein Civilversorgungsschein gegeben werden dürfe, nur in be— 
sonderen Fällen Unterstützung oder Pension.“s) Der König hegte, wie 
den Ministern wohl bekannt war, im Grunde seines Herzens eine ebenso 
lebhafte Abneigung gegen das Judenthum wie einst Friedrich der Große. 
Auswärtigen Juden ertheilte er das Staatsbürgerrecht nur selten und 
nach sorgfältiger Prüfung.“*) Er hoffte durch die religiöse Bekehrung 
den alten Gegensatz allmählich verschwinden zu sehen und schenkte seine 
besondere Gunst dem neuen Vereine „zur Verbreitung des Christenthums 
unter den Juden“, der von Witzleben geleitet, von der vornehmen Welt 
und Theologen verschiedener Richtung eifrig gepflegt, allerdings im Jahre 
1824 mehrere hundert Bekehrungen verzeichnen konnte, doch gegen den 
Stamm des strengen Altjudenthums nichts ausrichtete. Indeß von dem 
  
*) Hardenberg an die Regierung zu Cleve, 7. Febr. 1817. 
**) Bülow's Antrag an das Staatsministerium, 16. Dec.; Vota von Kircheisen, 
Wittgenstein, Beyme, 23., 26., 29. Dec. 1815; Hardenberg an Boyen, 1. Dec. 1817; 
Boyens Antwort, 7. Febr. 1817; Hardenberg an das Staatsministerium, 20. Juli; 
Bericht des Staatsministeriums an den Staatskanzler, 18. Nov. 1818. 
* F ) Cabinetsordres an Schuckmann, 28. Aug. 1827; an Minister v. Brenn, 5. Mai 
1831 u. s. w.
	        
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