Das preußische Zollgesetz und die Kleinstaaten. 31
neigung verscherzt; Preußen wird es dereinst noch bereuen! Und seltsam,
die Angriffe der entrüsteten Vorkämpfer deutscher Handelsfreiheit richteten
sich ausschließlich gegen Preußen, obgleich auch andere Bundesstaaten des
gleichen Frevels schuldig waren. Baiern hatte soeben (22. Juli 1819), wie
Preußen, ein neues Zollgesetz verkündigt, aber Niemand eiferte dawider.
Vollends das österreichische Prohibitivsystem belastete nicht nur alle Waaren
ungleich härter als das preußische Gesetz, es verbot sogar einzelne deutsche
Erzeugnisse gänzlich, namentlich die Franken- und Rheinweine. Keiner
unter den deutschen Ministern nahm daran Anstoß. Metternich sagte
kurzweg zu Berstett: „ich betrachte Oesterreich als gar nicht in der Handels—
frage befangen,“ und der badische Staatsmann nahm diese Erklärung
ohne Widerspruch als selbstverständlich hin.“) Also ward gerade durch
den leidenschaftlichen Eifer der Kleinen bewiesen, wie fest ihre Interessen
mit Preußen verkettet waren, wie lose mit Oesterreich. Einige der kleinen
Minister vertraten den Gedanken der Bundeszölle: so Fritsch, dem sein
Großherzog befohlen hatte die Verlegung aller Zolllinien an die Bundes—
grenze zu fordern, so Berstett, der noch immer der Meinung blieb, durch
die Verkündigung allgemeiner Verkehrsfreiheit werde der Bund am sichersten
die Unzufriedenheit der Nation beschwichtigen. Andere wollten nur den
Verkehr mit deutschen Produkten frei lassen, und diese so wenig wie jene
wußten die Mittel zur Ausführung ihres Planes anzugeben: gegen das
Ausland, meinte Berstett gemüthlich, möge jeder Bundesstaat seine Zölle
nach Belieben anordnen, genug wenn im Innern Deutschlands die Mauthen
hinwegfielen. Zu diesen ehrlichen Enthusiasten gesellten sich einige Bundes—
genossen, die ihre unlauteren Hintergedanken kaum verbargen. Der Herzog
von Coburg erschien selbst in Wien, um durch sein Veto den Abschluß der
Bundeskriegsverfassung zu vereiteln, falls ihm nicht unbeschränkte Ver—
kehrsfreiheit gewährt würde; doch da die Conferenz das Bundesmilitär—
gesetz nicht ins Reine brachte, so ward der feine Plan zu Schanden. Noch
dreister trat Marschall auf. Der witterte mit dem Instinkt des Hasses,
daß die neue Zollgesetzgebung, das Werk der „demagogischen Subalternen“
in den Berliner Bureaus, dem preußischen Staate vielleicht dereinst die
Hegemonie im Norden verschaffen könne; durch ihre Vernichtung dachte
er zugleich diesen Staat des Unheils zu demüthigen und der Schlange der
Revolution das Haupt zu zertreten.
Aehnliche Gesinnungen hegte der Casseler Hof, der bereits, ohne eine
Verständigung mit dem Nachbarstaate auch nur zu versuchen, den Zoll-
krieg gegen Preußen eröffnet hatte. Durch ein Gesetz vom 17. Sept. 1819
wurde die Ein= und Durchfuhr vieler preußischer Waaren verboten oder
mit schweren Zöllen belegt. Der Mehrbetrag der erhöhten Abgaben sollte
verwendet werden zum Besten der hessischen Gewerbtreibenden, welche das
*) Berstett's Bericht an den Großherzog, 10. Jan. 1820.