Der Posener Landtag. 387
schonende Nachsicht des Prinzen Statthalters und des Oberpräsidenten
Zerboni bestärkte die Junker und ihre geistlichen Bundesgenossen nur in
ihrem Trotze. Zerboni gestand selber, die Regierung müsse sich hier einen
Stamm treuer Lehrer erziehen, da die polnischen Gymnasien bisher „weniger
Stätten des Unterrichts als Stätten des Preußenhasses“ gewesen seien,
er ließ auch unter der Hand einige der gefährlichsten Ruhestörer aus den
Schulen entfernen; aber er that das Nothwendige nur zögernd und mit
stillem Bedauern: „wir sind in der beklagenswerthen Verlegenheit, Ge-
fühlen entgegenwirken zu müssen, die in eigener Brust genährt unsere
Unabhängigkeit retteten.““!) Statt die polnischen Bauern unter die scharfe
und gerechte Zucht deutscher Beamten zu stellen, gewährte man dem Adel
(1823) vertrauensvoll einen Antheil an der Verwaltung des flachen Landes:
der Grundherr sollte, allerdings nicht mehr kraft eigenen Rechtes, sondern
im Auftrage des Staates, die Polizeigewalt des Woyt auf seinen Gütern
ausüben. Da und dort ward einmal ein polnischer Zweigverein in ge-
heimer Sitzung überrascht, ein Haufen Briefschaften oder eine zertrümmerte
Büste des Königs aufgefunden; doch zu durchgreifender Wachsamkeit konnte
weder Zerboni noch sein Nachfolger v. Baumann sich entschließen. Un-
geschreckt durch das Schicksal des Generals Uminski, der seine Umtriebe auf
der Festung Glogau büßen mußte, vermittelte Graf Titus Dzialynski jahre-
lang den geheimen Verkehr mit den Verschworenen in Warschau. Die
alten reichen Grundherren hielten sich meist vorsichtig zurück; um so eifriger
nahm die Jugend an dem geheimnißvollen Treiben theil, und wer noch
zauderte, ward durch die feurige patriotische Beredsamkeit der polnischen
Edelfrauen hingerissen.
Die Berufung des Provinziallandtags war dem Adel hochwillkommen,
weil die belobte ständische Gliederung den Polen eine erdrückende Mehr-
heit sicherte; am Wahltage fehlte fast Niemand, denn auch die deutsche
Minderheit wehrte sich tapfer. Auf eine allerunterthänigste Dankadresse,
deren überschwängliche Ausdrücke dem sarmatischen Gewissen durchaus
keine Beschwerde bereiteten, folgte nun sofort der kleine Krieg gegen das
deutsche Beamtenthum. Da man der milden Verwaltung schlechterdings
kein erhebliches Unrecht nachweisen konnte, so klagten die Stände nur
ganz im Allgemeinen wegen der gefährdeten „Nationalität des Großherzog-
thums", als ob das deutsche Drittel in der Provinz gar nicht vorhanden
wäre. Sie baten, die Landräthe von den Sitzungen der Kreisstände
ganz auszuschließen, damit der Kreistag frei berathen könne; sie beschwerten
sich über die große Zahl der deutschen Beamten und empfingen die trockene
Antwort, der König werde sehr gern Eingeborene anstellen, allein bisher
habe sich noch kein einziger Pole zur großen Staatsprüfung für den Ver-
waltungsdienst gemeldet. Die heftigsten Angriffe galten dem Schulwesen,
*) Zerboni's Bericht an Altenstein, 20. Nov. 1819.
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