Preußens Abwehr. 37
tönende Worte, die der Nation ein unbestimmtes Glück verheißen und nur
an dem kleinen Fehler kranken, daß sie hohle Phrasen sind. Hier Preußen
allein, verwünscht von der Nation, ein kaltes Nein den hochfliegenden
Plänen der Gegner entgegenstellend. Und doch barg sich hinter dieser
ablehnenden, scheinbar unfruchtbaren Haltung der einzige Gedanke, der
uns retten konnte. Die ganze Zukunft deutscher Politik hing daran, daß
Preußens verständige Redlichkeit triumphirte über dies Bündniß der Un-
klarheit und der Lüge. Und Preußen siegte.
Da die Gegner nur in ihrem Hasse, nicht in irgend einem positiven
Gedanken übereinstimmten, so errang Bernstorff bereits am 10. Februar
einen durchschlagenden Erfolg in dem handelspolitischen Ausschusse der
Conferenz; er bewog den Ausschuß, seine Anträge auf einige „mehr vor-
bereitende als entscheidende, keinen künftigen bundesförderlichen Beschlüssen
vorgreifende Bestimmungen zu beschränken“.) Der Ausschuß beantragte
demnach lediglich, daß der Bundestag, dem Art. 19 gemäß, die Beförderung
des Handels als einen der Hauptgegenstände seiner Thätigkeit ansehen
solle. Nur über die Freiheit des Getreidehandels, welche Preußen schon
vor drei Jahren in Frankfurt befürwortet hatte, schienen jetzt alle Theile
endlich einig, und der Ausschuß schlug vor, die Frage durch eine schleunige
Vereinbarung zu erledigen. Als diese Anträge am 4. März in der Con-
ferenz zur Verlesung kamen, da brach, sobald der Name des Bundestags
erklang, einer der Anwesenden in lautes Lachen aus, und die ganze Ver-
sammlung stimmte fröhlich ein. Und diese Staatsmänner, die ihr Urtheil
über die Leistungsfähigkeit des Bundestags so unzweideutig bekundeten,
hatten sich soeben noch vermessen, das preußische Zollgesetz durch einen
Bundesbeschluß aufzuheben! Die Anträge des Ausschusses wurden ange-
nommen, und um auch den widerspänstigen Köthener zu gewinnen, fügte
man noch ein Separatprotocoll hinzu, kraft dessen die betheiligten Staaten
sich verpflichteten, die Beschlüsse des Wiener Congresses über die Fluß-
schifffahrt unverbrüchlich zu halten, die Verhandlungen deshalb thätig
zu betreiben.
Ueber die Freiheit des Getreidehandels setzte man ebenfalls ein beson-
deres Protocoll auf, aber Metternich vereitelte schließlich auch diesen einzigen
heilsamen Plan, in dem sich alle Parteien zusammenfanden. Er schob
die Entscheidung immer wieder hinaus, und als die Conferenz endlich
zum Beschlusse schreiten wollte, da war Kaiser Franz, zum lebhaften Be-
dauern seines Ministers, bereits nach Prag abgereist. Arglos meldete
Bernstorff einige Tage später, die Erwiderung Sr. Majestät sei noch
immer nicht eingetroffen.““) Die Conferenz mußte auseinandergehen ohne
das Protocoll abzuschließen. Erst gegen Mitte Juni lief die österreichische
Antwort beim Bundestage ein. Der gute Kaiser, der sich gegen F. List so
*) Bernstorff's Bericht, 11. Febr. 1820. “") Bernstorff's Bericht, 31. Mai 1820.