Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Männerbund und Jünglingsbund. 443 
Gehorsams empörte. Selbst Ruge, der lauteste und unermüdlichste unter 
den Freiwerbern des Bundes, war zum Verschwörer verdorben. Kindische 
Märchen wurden in Umlauf gesetzt, um den Muth der Verschworenen zu 
stacheln: Gneisenau sollte bereit sein, die Rolle des deutschen Riego zu 
spielen, auch auf den Fürsten von Wied, auf die Generale Thielmann 
und Jagow könne man sich verlassen. Mit den Jenenser Bundesbrüdern 
unterhielten durch die Vermittelung Robert Wesselhöfft's zwei ältere Männer 
geheimen Verkehr: der Oelmüller Salomon in Erfurt, ein religiöser 
Schwärmer, vormals Turnlehrer, weitberühmt durch die Athletenkraft 
seines schönen Körpers, und Hauptmann Fehrentheil, der einzige namhafte 
preußische Offizier, der sich in die demagogischen Umtriebe dieser Jahre 
verstricken ließ. Fehrentheil hatte einst dem Hauptquartier des schlesischen 
Heeres angehört — ein willkommener Vorwand für Gneisenau's geheime 
Feinde —, indeß war er den alten Kameraden längst fremd geworden und 
in den Träumereien eines wüsten politischen Ehrgeizes verwildert; er 
plante im Ernst, mit Hilfe der Landwehr die Festung Erfurt durch einen 
Handstreich zu überrumpeln. Die ersten Urheber des Unfugs aber ließen 
bald nichts mehr von sich hören. Karl Follen mochte einsehen, daß nach 
der Niederlage der Revolutionen des Südens ein Aufstand in Deutsch- 
land unmöglich war; er zog seinen Kopf aus der Schlinge und überließ 
den Jünglingsbund seinem Schicksale. Die unglücklichen verführten jungen 
Leute erwogen nunmehr in tragikomischen Berathungen: ob der geplante 
Männerbund wirklich ins Leben getreten sei? — was sich bis zum heutigen 
Tage noch nicht mit Sicherheit beantworten läßt — ob er noch fortbesteher 
ob man ohne ihn vorgehen solle? 
Da erhielt die Mainzer Commission Kunde von den Anschlägen (1823), 
und nun erfuhr dies zersplitterte Volk zum ersten male, was praktische 
deutsche Einheit sei. Kamptz in Berlin und die schwarze Commission in 
Mainz leiteten gemeinsam die Verfolgung; auf ihre Weisung erfolgten in 
allen größeren Bundesstaaten zahlreiche Verhaftungen. Die kleinen Höfe 
vergaßen in ihrer Angst sogar ihre heiligste Empfindung, den Souveränitäts- 
dünkel und trugen kein Bedenken, ihre angestammten Demagogen auf 
einige Zeit nach Köpenick auszuleihen, damit Kamptz die Untersuchung 
wirksamer führen könne. Der aber benutzte die gute Gelegenheit, um 
auch einige ältere Burschenschafter, die schon vor Jahren in Untersuchung 
gewesen, aufs neue einsperren zu lassen. Diesem Schicksal verfiel Franz 
Lieber, der mittlerweile durch eine grausame Lebensschule gegangen war. 
Er hatte als Jahn's Schüler lange in Haft gesessen, dann, noch immer 
unbelehrt, bei der Stiftung des Jünglingsbundes mitgeholfen und schließ- 
lich Deutschland verlassen, um für das freie Griechenland zu streiten. 
Wie ward ihm aber, als er die fürchterliche Verwilderung dieser Freiheits- 
kämpfer kennen lernte. Gebrochen in allen seinen Lebenshoffnungen, ab- 
gerissen und ausgeplündert wollte er über Italien heimkehren; da nahm
	        
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