Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Beseitigung des Deficits. Beuth. 463 
der von L. Kühne entworfene Bericht, werden die Grundsätze der Finanz- 
verwaltung bleiben: „Sparsamkeit und Ordnung in den gewöhnlichen Aus- 
gaben; Bereithaltung der Kräfte, welche der Friede gewährt hat, für die 
Zeit des ersten Krieges; Aufrechterhaltung des Credits durch Pünktlichkeit; 
Verwendung eines Theiles der Ueberschüsse als werbendes Capital für die 
Zukunft für den Gewerbfleiß.““) — 
Seitdem war Motz der Achtung des Königs sicher. Bei Hofe be- 
trachtete man ihn als einen Emporkömmling, da sein altes hessisches 
Adelsgeschlecht im preußischen Dienste neu war. Die Partei Wittgenstein's 
witterte bald den Liberalismus des Ministers heraus; Lottum aber und 
die anderen Anhänger der unbedingten Sparsamkeit tadelten seinen Leicht- 
sinn, weil er mit den steigenden Einnahmen auch das knappe Ausgaben- 
Budget allmählich, um etwa 900,000 Thlr., erhöhte. Wagten sich solche 
Vorwürfe aus dem Dunkel heraus, dann rechtfertigte er sich stets frei- 
müthig vor dem Könige selbst, denn ohne das Vertrauen des Monarchen 
könne der Finanzminister als Aufseher der gesammten inneren Verwaltung 
nicht bestehen.“) 
Die Verkehrspolitik lag jetzt ganz in seiner Hand. Das bisher vom 
Grafen Bülow verwaltete Handelsministerium war seit 1825 aufgehoben, 
und mit Beuth, dem Chef der neugegründeten Ministerialabtheilung für 
Handel, Gewerbe und Bauwesen, stand Motz auf dem besten Fuße. Wie 
fühlte er sich glücklich, mit diesem genialen Techniker zusammenzuarbeiten, 
der so sicher wußte, daß eine völlig verwandelte Zeit, eine neue Epoche 
der Entdeckungen und Erfindungen gekommen sei, und so zukunftsfroh 
auf dem Strome dieses großen Jahrhunderts daherschwamm. „Nicht 
nach Rittern oder Pfaffen oder Räubern steht mein Sinn:" — schrieb 
Beuth einmal in seiner lustigen Weise — „nach den Spinnern, nach den 
Webern, die erfindungsreich erschaffen, im Genuß von Millionen, auf den 
Hügeln ihres Landes Villen bauen, Künste üben, gastfrei sind.“ Zu dieser 
Höhe des Schaffens und des Genießens, die er den Briten beneidete, 
wollte er auch sein Deutschland aufsteigen sehen; doch bei aller Bewunderung, 
für die himmelan ragenden „Obelisken“ der englischen Fabrikstädte fühlte 
er sich stolz als Sohn einer menschlicheren, weitherzigeren, geistig freieren 
Nation und sprach mit überlegener Ironie von der unheilbaren Be- 
schränktheit des Inselvolks. Die prosaische Unschönheit der modernen 
Großindustrie verletzte ihn kaum weniger als seinen Herzensfreund Schinkel, 
und als sie selbander 1826 England durchreisten, begegneten sich Beide 
in dem Gedanken: ihr Volk solle dereinst noch lernen den Stoff ebenso 
vollständig zu beherrschen wie die Briten, aber sich auch die Feinheit des 
Formensinnes, die Jenen fehlte, erringen. 
*) Motz, Verwaltungsbericht des Finanzministeriums f. d. J. 1825—27, mit 
Begleitschreiben v. 30. Mai 1828. 
*“) Motz an Lottum, 13. März 1830. 
 
	        
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