472 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
geben; wir wissen, daß unsere Rheinstädte durch die Aufhebung des Stapels
anufangs leiden werden, doch wir hoffen auf die Zunahme des gesammten
Rheinhandels und werden auf jede Gefahr unsere Vertragspflicht erfüllen,
sobald Holland der seinen nachkommt.“) Die Frage war um so wichtiger,
da die Wasserwege noch eine große Ueberlegenheit gegenüber dem kost-
spielig langsamen Landhandel behaupteten; geschah es doch, daß schwere
Geschütze vom Rhein nach Pommern zur See befördert wurden und die
Fracht, trotz der holländischen Durchfuhrzölle, billiger zu stehen kam als
der Landtransport.
Das Berliner Cabinet hoffte auf die Unterstützung aller deutschen
Rheinuferstaaten. Aber nur Hessen stimmte von Haus aus dem ent-
schlossenen Vorgehen Preußens bei; der kluge du Thil fühlte, daß Preußen
hier „auf dem Wege war, der dem Interesse Deutschlands entsprach“.“)
Etwas später schloß sich auch Baiern an. Nassau dagegen hielt sich zu
den oranischen Vettern, nach der alten Gewohnheit des herzoglichen Hauses.
Baden zeigte lange eine sehr schwächliche Haltung, klagte bitter über
Preußens Härte, vertheidigte mehrmals die unehrlichen Vergleichsvorschläge
der Niederländer. Die liberale Welt erging sich wieder in der gewohnten
sittlichen Entrüstung, verfluchte Holland und Preußen in einem Athem
als die Bedränger des Rheinstroms. Dazu der Neid der Oberländer
gegen das aufstrebende Köln. Ueberdies haderten die süddeutschen Staaten
nachbarlich unter einander: Mannheim klagte über den Mainzer, Württem-
berg über den Mannheimer Stapel, Mainz über den badischen Neckar-
zoll. Einmal ersann sich Berstett einen sauberen Kriegsplan: Baden
wollte sich von Württemberg beim Bundestage wegen des Mannheimer
Stapels verklagen lassen, dann sollten beide Cabinette gemeinsam alle
Schuld auf das Kölner Stapelrecht schieben und also das Signal geben
zu einem allgemeinen Angriff auf Preußen. Dies bundespolitische Meister-
stück kam jedoch leider nicht zur Ausführung, da der Plan vor der Zeit
verrathen wurde.)
Ein Jahrzehnt verging, bis diese zankenden Kleinstaaten endlich be-
griffen, das drückende Kölner Umschlagsrecht sei das einzige Mittel, um
den bösen Willen der Holländer zu brechen. Baden gestand reumüthig
seinen Irrthum ein. „Wir verehren dankbar Preußens Arbeit für die
vollkommene Befreiung des Rheines“ — ließ Großherzog Ludwig an
Frankenberg schreiben. „Nur die Noth hat uns bisher zu bedingungsweisen
Vergleichsvorschlägen bewogen. Jetzt werden wir um so weniger dem
jenseitigen Interesse abstehen, als es das allgemeine geworden ist.“ Noch
wärmer sprach später Berstett den Dank seines Hofes aus „für das von
*) Frankenberg's Bericht, 6. Dec. 1826.
**) du Thil an Motz, 28. Febr. 1828.
*“#) Blittersdorff's Bericht, 21. Sept. 1821.