Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Der Hof. Einsiedel. 507 
gerie sehen, so mußten die Elephanten und die Schlangen zu ihm in den 
Schloßbof kommen. Wie erstaunten die Dresdener, als König Max 
Joseph, auf Besuch bei ihrem Hofe, vergnüglich nach seiner Münchener 
Gewohnheit in der Stadt umherschlenderte und sogar mit Bürgers- 
leuten redete: der sächsische König sprach mit Keinem, der nicht Obersten- 
rang hatte. 
Wohl Niemand mochte über den Druck dieses höfischen Zwanges so 
herzlich seuszen, wie die begabten Kinder des Prinzen Max. Da war 
Prinz Friedrich August, die Hoffnung des Landes, ein liebenswürdiger 
junger Herr, der geistreiche Gespräche liebte und sogar für die Ideen des 
Liberalismus Verständniß zeigte; er verkehrte viel mit Wangenheim, als 
dieser nach seiner Entlassung in Dresden lebte, und der allezeit hoffnungs- 
volle Triaspolitiker erwartete schon zuversichtlich, dereinst an die Spitze 
des sächsischen Ministeriums berufen zu werden.) Der jüngere Bruder 
Prinz Johann schwärmte für Dante und schilderte das Unglück Italiens 
zuweilen in Versen, welche im Munde eines so nahen Verwandten des 
Erzhauses fast frevelhaft klangen: 
Freche Sklaven der Tyrannen spielen 
Mit der Stolzen, die das Meer bezwang, 
Feigheit flieht wo einst die Fabier fielen, 
Schmeichler faseln wo eine Dante sang.“) 
Die Schwester Prinzessin Amalie schrieb kleine Schauspiele, mit beschei- 
denem Talent, aber mit warmer natürlicher Empfindung und überraschen- 
der Kenntniß des bürgerlichen Kleinlebens. 
Neben dem Könige, vor dem Alles in scheuer Ehrfurcht erstarb, durfte 
der freiere Ton dieses jungen Hofes freilich nicht laut werden. Nach 
unten hin drückte der Vorstand des Geheimen Cabinets, der leitende Minister 
Graf Einsiedel, ein hagerer, steifer, wortkarger Mann, des Monarchen 
unterwürfiger Diener, trotz seiner jungen Jahre schon ganz eingefroren 
im kursächsischen Hof= und Adelsbrauche. Die Fanatiker des Particula- 
rismus betrachteten ihn anfangs mit Argwohn, weil er in der preußischen 
Lausitz begütert und also „Vasall“ des Landesfeindes war.) In 
Wahrheit hörte der Gesichtskreis seines politischen Denkens genau an der 
Stelle auf, wo die grünweißen Grenzpfähle standen; die übrige Welt da 
draußen kannte er kaum sein preußisches Eisenwerk Lauchhammer aus- 
genommen — und wollte sie auch nicht kennen. Kurz vor der Rückkehr 
des Königs war dessen langjähriger Günstling Graf Marcolini gestorben, 
der im Lande allgemein verhaßte „Contino“", ein Italiener von der frivolen 
altbourbonischen Art, dem mindestens das eine Verdienst gebührte, daß er 
seinen königlichen Freund etwas aufgeheitert und der Macht der Beicht- 
  
*) Wangenheim an Hartmann, 20. Febr. 1824, 23. Sept. 1827. 
*8) Wangenheim an Hartmann, 4. Jan. 1824. 
*“) Bericht des Hofraths Heun, 23. Juli 1817.
	        
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