Herzog Karl und der Bundestag. 565
Bundesbeschluß müsse ihm persönlich überreicht werden, und um dies zu
verhindern reiste er nach Paris.) Dem Bundestage blieb schließlich doch
nichts übrig als die Androhung der Execution (März 1830). Das wirkte.
Herzog Karl nahm am 22. April, nach dreijährigem Gezänk, die verhängniß-
volle Verordnung zurück; doch sogar jetzt noch verfuhr er unritterlich und
hinterhaltig, er versteckte seinen Widerruf in einem Ministerialerlaß, der
auch einige andere Verordnungen für unwirksam erklärte. Mit einer so
spöttischen Genugthuung wollte Preußen sich nicht zufrieden geben; der
Bundestag aber folgte diesmal den Winken Oesterreichs und nahm das
Geschehene ruhig hin.
Durch diese zaudernde Schlaffheit des Bundes war der Welfe in-
zwischen schon zu neuen Gewaltthätigkeiten ermuthigt worden und auch mit
seinen Landständen in Händel gerathen. Er hatte den ständischen Aus-
schüssen, mit denen er bisher jahrelang amtlich verkehrt, plötzlich erklären
lassen, daß er nur die alte Landschaftsordnung von 1770 anerkenne. Nach
einem lebhaften Schriftenwechsel wendeten sich auch die Stände an den
Bund, baten um Schutz und Bürgschaft für die neue Verfassung (1829).
Sofort war der Herzog mit einer Gegenbeschwerde zur Hand und ver-
langte sogar von der Bundesversammlung, daß sie den Ständen das Im-
primatur für ihre Klageschriften verweigern solle*) Dann kam noch eine
Klage von dem greisen Frhrn. v. Sierstorpff, den der Welfe seiner Hof-
ämter entsetzt und mitsammt seiner Gemahlin aus dem Lande verwiesen
hatte; das oberste Gericht in Wolfenbüttel hatte sich zwar des Verfolgten
angenommen, aber der Urtheilsspruch war vor den Augen der Richter
durch einen Abgesandten des Herzogs feierlich zerrissen worden.
So ging es fort; jeder Monat brachte neue Willkürhandlungen —
lauter Nichtigkeiten in dem armseligen Stile der deutschen Kleinstaaterei.
Dem gesammten Beamtenthum wurde durch förmliche Verordnung der Um-
gang mit dem abgesetzten Kammerherrn v. Cramm untersagt. Als ob er
seinen nahen Sturz ahnte, befahl der Herzog eigenmächtig Verkäufe aus
dem Kammergute, die selbst der gefügige Kammerdirektor v. Bülow wider-
rechtlich fand, und sammelte den baaren Erlös an. Eine fieberische Un-
ruhe verzehrte ihn; eines seiner Siegel aus späterer Zeit zeigte ein von den
Wellen umtostes Schiff ohne Segel und Steuer, dazu die Inschrift:
voilà mon sort! In einem schwarzen Buche hatte er sich einige „Straf-
manieren“ aufgezeichnet: wie man gefährliche Menschen durch Verbot des
Theaterbesuchs, Wartenlassen, polizeiliche Aufsicht, Wechselarrest, Processe
quälen oder durch einen Dritten auf Pistolen fordern lassen könne. Auch
eine dreifache Form für seine Unterschrift hatte er sich ersonnen: die eine
—. „giltig“, die zweite — „gilt nicht“, die dritte — „gilt gerade das Gegen-
*) Nagler's Bericht, 19. Dec. 1829.
**) Nagler's Bericht, 22. Sept. 1829.